Vom Nutzen des Ideenmanagements insgesamt war schon in mehreren Blogbeiträgen die Rede – er ergibt sich zu einem Teil als kumulierte Summe der Nutzenbeiträge aller einzelnen Ideen und Vorschläge. Diese einzelnen Nutzenbeiträge werden meist (sprachlich etwas unglücklich) nach „rechenbar“ und „nicht rechenbar“ unterschieden, und wenn „rechenbar“, dann ist damit meist eine Berechnung der finanziellen Einsparung (oder Zusatzeinnahme) in Euro gemeint. Hier erweitern wir diese duale Einordnung zu einem breiteren Spektrum von Möglichkeiten, einen Nutzen von individuellen Ideen und Vorschlägen zu beziffern.
Hinweis der Redaktion: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Artikel die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Im Folgenden unterscheiden wir zwischen „echten“ finanziellen Einsparungen und „Wertzuweisungen in Euro“.
Des weiteren unterscheiden wir zwischen einem Nutzen, der in messbaren Größen quantifizierbar ist, und einem Nutzen, der nicht mess- oder quantifizierbar ist. Dabei muss ein „quantifizierbarer Nutzen“ nicht notwendigerweise in Euro beziffert werden – es gibt auch andere Einheiten, in denen der Nutzen ausgedrückt werden kann, und die nicht in jedem Fall eindeutig in Euro umgerechnet werden können.
In vielen Fällen lässt sich der Nutzen in messbaren Einheiten beziffern:
Errechnete finanzielle Einsparung in Euro– Diese lässt man am besten vom Controlling durchführen oder bestätigen (zumindest ab einer gewissen Höhe). Die Methoden zur Berechnung können allerdings schon zwischen verschiedenen Geschäftseinheiten ein- und desselben Unternehmens variieren.
In anderen Fällen gibt es kaum Möglichkeiten, die Wirkung eines Vorschlags sinnvoll zu quantifizieren, oder der direkte Ursache-Wirkungs-Zusammenhang lässt sich nicht eindeutig belegen. Es ist zwar sinnvoll, von einer positiven Wirkung auf den jeweiligen Nutzenaspekt auszugehen – ob aber Änderungen in den entsprechenden Messgrößen auf den konkreten Vorschlag zurückzuführen sind, lässt sich nicht nachvollziehen. Gründe für diese Schwierigkeit sind oft der statistische Charakter und die Vielfalt der Zusammenhänge und Einflüsse (Multikausalität), die für das Zustandekommen der jeweiligen Ergebnisse verantwortlich sind.
Als Kenngröße, die sich in diesen Fällen immer ermitteln lässt, kann die Anzahl der umgesetzten Vorschläge zum jeweiligen Thema dienen. Das Ideenmanagement tut gut daran, Vorschläge entsprechend zu klassifizieren, damit es den Nutzen des Ideenmanagements auch anhand solcher Kenngrößen belegen kann. Je nachdem, wie neue Themen mit strategischer Bedeutung aufkommen (ein Beispiel ist die in den letzten Jahren immer wichtiger gewordene Arbeitgeberattraktivität), sollten die Klassifikationssysteme erweitert werden.
Wie in der Vorbemerkung festgestellt, kann man versuchen, jedem Vorschlag einen Wert in Euro zuzuweisen – den Betrag, den die jeweilige Verbesserung dem Unternehmen „wert ist“. Das Bedürfnis, das zu tun, ergibt sich in vielen Unternehmen allein daraus, dass jede umgesetzte Idee mit einer Prämie honoriert wird, deren Höhe sich am bewirkten Nutzen orientieren soll.
Für Ideen, bei denen kein („echter“) finanzieller Nutzen berechnet werden kann (aus dem sich die Prämie dann als vordefinierter Prozentsatz ergibt), wird die Prämie in vielen Unternehmen auf der Basis eines Punktsystems ermittelt (Beispiele finden Sie in den Blogbeiträgen „Das Ideenmanagement bei Muhr und Bender“ und „Das Ideenmanagement bei CeramTec“). Es gibt auch Unternehmen, die für alle (finanziell) nicht-rechenbaren Vorschläge eine Pauschalprämie vorsehen – dadurch erspart man sich Zeit und Diskussionen über die „richtige“ Bepunktung.
Unabhängig davon, wie die Prämie für einen (finanziell) nicht-rechenbaren Vorschlag ermittelt wurde: Es gibt Verfahren, aus dieser Prämie einen Wert für den Nutzen in Euro abzuleiten.
Beide Verfahren stoßen bei vielen Unternehmensleitungen und in den Controllingabteilungen auf (durchaus berechtigte!) Skepsis. Auf diese Weise ermittelte Euro-Werte geraten schnell in den Ruch, Ergebnisse von „Milchmädchenrechnungen“ und unseriös zu sein. Im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit sollten Verbesserungen in der „Einheit“ angegeben werden, die in der Natur der Sache liegt und mit eindeutigen Zahlen, Daten und Fakten belegbar ist: Anzahl der Verbesserungen bei nicht quantifizierbarem Nutzen – Kenngrößen in Stunden, Kilogramm, Quadratmeter, Euro bei quantifizierbarem Nutzen.
Als Alternative zu einer „prämienbasierten“ Wertzuweisung haben einige Unternehmen explizit definiert, welche Werte in Euro sie bestimmten Verbesserungen beimessen. Indem diese Definitionen gemeinsam mit dem Management und dem Controlling festgelegt werden, vermeidet das Ideenmanagement, dass die in Euro ausgewiesenen Nutzenwerte immer wieder als unglaubwürdig angezweifelt werden. Wie dabei die individuellen Kosten- und damit Einsparungsarten berücksichtigt werden, zeigen die folgenden Praxisbeispiele.
Praxisbeispiel Die Schweizerische Post AG
Es werden nur Vorschläge umgesetzt, bei denen die Fachstellen für sich einen expliziten Nutzen identifizieren können. Dieser Nutzen muss nicht immer materieller Natur sein. Für immaterielle Verbesserungen gibt es Berechnungshilfen, um auch diesen Ideen einen materiellen Wert zu geben und sie so noch stärker zu würdigen und zu positionieren. Ziel ist es, jeder umgesetzten Idee einen Wert zu geben – einerseits als Grundlage für die Prämierung, andererseits als Nachweis für den insgesamt durch umgesetzte Vorschläge bewirkten Mehrwert.
Der so ermittelte Ideenwert kann natürlich nicht eins zu eins für den individuellen Umsetzungsentscheid beigezogen werden. Hierfür wird nach wie vor eine Abwägung des erzielten Nutzens im Verhältnis zum subjektiv wahrgenommenen immateriellen Mehrwert vorgenommen. Der Ideenwert dient aber als zusätzliche Unterstützung und kann bei der Begründung als Referenz hinzugezogen werden.
Dass die ausgewiesenen Mehrwerte in der Summe nur eine Annäherung an die Realität darstellen, ist sämtlichen am Prozess beteiligten Stellen bewusst und wird in Kauf genommen. Die Vorteile der Sichtbarmachung des Mehrwerts von allen umgesetzten Ideen überwiegen diesen „Makel der Scheingenauigkeit“ und führen zu einer hohen Akzeptanz und darüber auch zu einer messbaren Erhöhung der Einreichungsquote.
Praxisbeispiel Lufthansa Technik AG
Mit den Zielen, möglichst jeder Nutzen-Art einen Wert in Euro zuweisen zu können und eine Gleichbehandlung aller Fälle bzw. Einreicher sicherzustellen, wurde ein pragmatischer Ansatz entwickelt. Im Konsens mit dem dem Controlling und den Sozialpartnern wurden nach rationalen und transparenten Kriterien standardisierte „Werte“ in Euro festgelegt. Naturgemäß sind sie Gegenstand einer permanenten Überarbeitung und Aktualisierung.
Dadurch kann ein Erstjahresnutzen (EJN) für (fast) alle Vorschläge mit einheitlichen Parametern berechnet werden. Er ergibt sich stets als Differenz: „Kosten Status Quo“ minus „Kosten nach Umsetzung der Idee“ und wird durch das zentrale Controlling an zwei Stellen im Prozess festgestellt: Als „erwarteter EJN“ während der Prüfung des Vorschlags und als „tatsächlicher EJN“ bei Abschluss des Vorschlags, der etwa 1 Jahr nach der Umsetzung erfolgt.
Weil die Standardisierung der Parameter bedeutet, dass der damit ermittelte Euro-Wert die tatsächlichen Kosten-Nutzen-Relation nicht in jedem Einzelfall richtig wiedergibt, kann er auch nicht in jedem Fall für die Entscheidung maßgeblich sein, ob es sich lohnt, einen konkreten Vorschlag umzusetzen. Der Ansatz stellt aber eine Gleichbehandlung aller Fälle sicher und stärkt die Akzeptanz auf allen Seiten – sowohl im Hinblick auf die Prämierung für die Einreicher, als auch für den Nutzennachweis gegenüber der Unternehmensleitung.
Der Nutzen eines Vorschlags ist nicht nur im Hinblick auf die Prämie für den Einreicher relevant – eine transparente und belastbare Bemessung ist für den Stellenwert des Ideenmanagements im Unternehmen (mindestens) ebenso wichtig!
Über die Autoren: Daniel Gygax, Dr. Hartmut Neckel, Dr. Oliver Reichel-Busch
Dr. Oliver Reichel-Busch, geb. 1973, lebt mit seiner Familie in Hamburg. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Darmstadt und der Promotion an der TU Berlin startete er seine Karriere im Lufthansa Konzern im Führungskräftenachwuchsprogramm. Nach verschiedenen Stationen u.a. als Produktionsleiter in der Fahrwerksüberholung der Lufthansa Technik AG verantwortet er seit 2019 das Ideenmanagement der Lufthansa Group.
Kontakt: oliver.reichel-busch@lht.dlh.de