Es ist immer gut zu wissen, wovon man spricht. Natürlich können Sie alle Ideen aus Ideenmanagement, KVP und anderen Programmen am Ende in einen Topf werfen. Einer guten Idee ist es schließlich egal, woher sie stammt. Dennoch ist es hilfreich, sich auch die Unterschiede zwischen verschiedenen Programmen bewusst zu machen.
Die Begriffe „Ideenmanagement“ und „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)“ werden gemeinhin in doppelten Bedeutungen verwendet:
- Ideenmanagement bezeichnet einerseits die moderne Form des klassischen Betrieblichen Vorschlagswesens – und wird andererseits für alles verwendet, bei dem es um das Management von Ideen (unterschiedlichster Art und Herkunft) geht.
- KVP bezeichnet einerseits eine strukturierte Methodik, Verbesserungsideen im organisierten Rahmen von (meist moderierten) Workshops zu erarbeiten – andererseits steht es für eine auf dem japanischen KaiZen-Gedanken basierende Philosophie, fortwährende Verbesserungen in kleinen Schritten zu bewirken. Dazu zählen auch Verbesserungen, die sich aus in Audits festgestellten Nichtkonformitäten, aus Fehlerbeseitigungen, Reklamationsbearbeitungen u.ä. ergeben.
Alleinstellungsmerkmal des Ideenmanagements
Die Kernzuständigkeit von „Ideenmanagement“ liegt im Management von Ideen, die Mitarbeiter aus eigener Initiative vorbringen. In diesem Sinn ist „Ideenmanagement“ nur ein anderes Wort für das, was früher „Vorschlagswesen“ hieß. Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um einen neuen Schlauch für alten Wein, denn in den meisten Unternehmen hat sich das heutige Ideenmanagement gegenüber dem früheren „Betrieblichen Vorschlagswesen“ in konzeptioneller, organisatorischer und kultureller Hinsicht ganz erheblich weiterentwickelt. Zur Unterscheidung von anderen Programmen möchte ich drei Punkte hervorheben:
1. Als Wesenskern und Alleinstellungsmerkmal des Ideenmanagements ist unverändert, dass das Vorbringen von Ideen für das Ideenmanagement zwar erwünscht ist, aber vom Mitarbeiter nicht erwartet werden kann – jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man Mitarbeiter dafür kritisieren oder gar tadeln könnte, wenn sie keine Ideen im Ideenmanagement einreichen (man kann es höchstens bedauern).
Darin liegt meiner Ansicht nach der entscheidende Unterschied zu allen anderen Methoden und Systemen, die auf Verbesserungen unter Einbeziehung der Mitarbeiter zielen.
- Werden Mitarbeiter zur Mitwirkung an unternehmensseitig organisierten KaiZen- oder KVP-Aktivitäten eingeladen (= beauftragt), kann von ihnen erwartet werden, dass sie sich aktiv einbringen (z.B. in KVP-Workshops oder ähnlichen gesteuerten Maßnahmen).
- Weisen Produktionssysteme oder Konzepte für Lean Management, Shopfloormanagement u.ä. Mitarbeitern bestimmte Rollen und Aufgaben zu, kann ebenfalls erwartet werden, dass sie dem gerecht werden.
- Mängel und Reparaturbedarfe zu melden, ist eine Bürgertugend, deren Befolgung von jedem Menschen ab einem gewissen Alter erwartet werden darf. Das Gleiche gilt für die Einhaltung von Vorgaben zu Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit.
- Nicht zuletzt kann von Mitgliedern in Projektteams eine engagierte Projektmitarbeit erwartet werden
2. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Ideenmanagements besteht darin, dass es grundsätzlich für jeden Mitarbeiter, zu jeder Zeit und für (fast) jedes Thema offen ist. Thematische Einschränkungen können etwa im Ausschluß von Ideen zur Unternehmensstrategie bestehen, oder von Ideen zu Themen, für die es spezielle eigene Systeme gibt (z.B. Beschaffungs- oder Investitionsanträge, Reiseanträge, IT-Änderungstickets).
3. Ein eher formaler Unterschied besteht nicht zuletzt darin, dass die Grundzüge des Ideenmanagements (soweit es freiwillige Vorschläge betrifft) in Deutschland Gegenstand der Mitbestimmung sind.
Erweiterte Tätigkeitsfelder des Ideenmanagements
Ein Erfolgsfaktor des Ideenmanagements besteht darin, dass es eben nicht isoliert, sondern in enger Verzahnung mit anderen Programmen betrieben wird – darauf werde ich in späteren Beiträgen dieses Blogs noch eingehen. Da es auch in KVP-Workshops um Ideen der Mitarbeiter geht, fassen manche Unternehmen ihr („klassisches“, eng definiertes) Ideenmanagement und ihre KVP-Aktivitäten zu einem erweiterten Ideenmanagement zusammen – ein derartiges „Integratives Ideenmanagement“ bildet das gemeinsame Dach für Vorschlagswesen (bzw. dessen moderne Nachfolger), KVP und ggf. weitere Programme.
Insofern übernimmt das Ideenmanagement neben seiner Kernzuständigkeit für die freiwilligen Vorschläge oft auch die Rolle als Ansprechpartner und Dienstleister für andere Abteilungen und Programme. Dabei kann es dann auch darum gehen, sich um Ideen zu kümmern, die gezielt (und meist als Teil der Arbeitsaufgabe) in strukturierten Verfahren entwickelt werden – etwa in KVP-Workshops oder in Innovationsprojekten. Im Folgenden nenne ich einige typische Service- und Beratungsleistungen, die das Ideenmanagement aus seinem Portfolio anbieten und einbringen kann:
- Das Ideenmanagement ist wie kaum eine andere Abteilung auf vielfältige Weise im Unternehmen vernetzt. Das Netzwerk umfaßt als Einreicher engagierte und qualifizierte Mitarbeiter, als Gutachter und Entscheider aktive Fach- und Führungskräfte, und nicht zuletzt auch die Arbeitnehmervertretungen.
- Das Ideenmanagement verfügt über methodische Kompetenzen und Tools, die sich auch jenseits der Kernzuständigkeit nutzen lassen – etwa zur Moderation von Workshops, zur Durchführung von Kampagnen, zur Ideen- und Lösungsfindung, zur systematischen Erfassung und Bewertung von Ideen, zur Gestaltung von Anreizen und Incentives.
- Vor allem in größeren Unternehmen ist das Ideenmanagement die einzige Abteilung, die noch den Überblick über die vielfältigen Ideenquellen und Managementkanäle hat. Gerade unter dem Label „Innovation“ starten viele Abteilungen eigene Initiativen, bei denen es darum geht, Ideen zu entwickeln, geeignete Ideen auszuwählen und diese dann umzusetzen. Hier kann das Ideenmanagement als „Ideenkompass“ wirken, sowie die anderen Abteilungen mit seiner Methodenkompetenz und seinen Tools unterstützen (siehe Abbildung).
Das hier nur angedeutete Zusammenspiel der verschiedenen Methoden und Programme sowie die Rolle, die das Ideenmanagement dabei spielen kann und sollte, werde ich in späteren Beiträgen noch vertiefen.
Abbildung: Ideenmanagement im Kontext anderer Methoden und Programme (kein Anspruch auf Vollständigkeit!). Zugeordnet sind jeweils einige Beispiele von typischen Instrumenten und Werkzeugen, die in den jeweiligen Methoden und Programme bevorzugt (aber keinesfalls ausschließlich!) zum Einsatz kommen. Die Darstellung basiert auf einem Entwurf von Magnus Brückner (Siemens AG), und wurde gemeinsam mit dem Expertenkreis „Globales Ideenmanagement“ weiterentwickelt.
Welche Kanäle, Methoden und Systeme außer der „Kernzuständigkeit“ unter dem Namen oder in einer Abteilung „Ideenmanagement“ zusammengefaßt werden – was also zum Kern, was zum Umfeld und was zu den Schnittstellen gehört – hängt von der Organisation und dem Verständnis des jeweiligen Unternehmens ab.
Konsequenzen der Freiwilligkeit im Ideenmanagement
Die oben genannte Besonderheit in der Kernzuständigkeit des Ideenmanagements (die „Nicht-Erwartbarkeit“ bzw. „Nicht-Einforderbarkeit“, weil Freiwilligkeit der Mitwirkung,) hat Konsequenzen:
- Unternehmen sehen sich (in anderer Weise als bei sonstigen Methoden) gefordert, ihre Mitarbeiter zum Mitmachen zu bewegen – ein Großteil der von Ideenmanagern aufgebrachten Energie widmet sich der Frage, mit welchen Maßnahmen zur Information, Inspiration, Qualifikation, Motivation und Gratifikation dies möglich ist. Antworten hierauf bleiben Dauerthema für den Erfahrungsaustausch in Arbeitskreisen und Foren (inkl. diesem Blog).
- Trotz aller systematischen Vorgehensweisen gemäß dem voranstehenden Punkt bleibt es (aus Sicht des Unternehmens) „Zufall“, ob und wann welcher Mitarbeiter welchen „Einfall“ als Vorschlag einreicht. Es kann sein, dass Vorschläge gemacht werden, es muss aber nicht sein (für Theorie-Interessierte: In diesem Sinn weist Ideenmanagement eine hohe Kontingenz auf!). Dagegen können Unternehmen mit einer deutlich größeren Verlässlichkeit mit nutzbringenden Ergebnissen rechnen, wenn sie die Aktivitäten zur Generierung und Ausarbeitung von Ideen systematisieren und gezielt steuern (z.B. in KVP-Workshops, Shopfloormeetings, Ratio-Projekten).
Die „Daseinsberechtigung“ des Ideenmanagements in seiner Kernzuständigkeit ergibt sich u.a. daraus, dass es nicht (oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand) möglich ist, Maßnahmen zur systematischen Ideengenerierung in einer solchen (inhaltlichen, zeitlichen) Dichte durchzuführen, dass damit tatsächlich alle nutzbringenden Verbesserungsmöglichkeiten erfasst werden.
- Bieten Sie die Kompetenzen und Tools des Ideenmanagements aktiv an, um die Entstehung und das Management von Ideen auch außerhalb seiner Kernzuständigkeit zu unterstützen.
- Jede Systematik hat ihre Lücken und blinden Flecken – Nutzen Sie Ideenmanagement, um dem Zufall eine Chance zu geben, auch das zu erfassen und strukturiert zu managen, was ansonsten durch das Raster der systematischen Aktivitäten gefallen wäre!