Ideenmanagement ist meistens dann „erfolgreich“, wenn es vom Top-Management ernsthaft „gewollt“ wird – frei nach dem Motto: „Was Aufmerksamkeit erhält, wächst“. Doch wie lässt sich die Unterstützung von „Macht-Promotoren“ gewinnen? Und worin können sich Aufmerksamkeit und Unterstützung konkret zeigen? Einige Beispiele geben Antworten.
Anforderungen„Must-have“ oder „Nice-to-have“
Bei vielen Dingen ist jedem klar, dass sie sein „müssen“: Produkte müssen konstruiert und gebaut werden. Materialien müssen beschafft, Kosten kontrolliert und Rechnungen gestellt werden. Arbeitssicherheit und Umweltschutz müssen gewährleistet werden – schon von Gesetzes wegen. Qualität und Konformität müssen gesichert werden. Projekte müssen geplant und durchgeführt werden. Informationen müssen fließen und Entscheidungen kommuniziert werden.
Ideen in das Ideenmanagement einbringen? Das muss man nicht – man darf es und man soll es wollen! Die Freiwilligkeit der Beteiligung war bereits im Blogbeitrag vom 05.12.2019 als ein Alleinstellungsmerkmal des Ideenmanagements hervorgehoben und nochmals in den Blogbeiträgen vom 27.11.2020 (zu den Unterschieden gegenüber KVP und Innovationsmanagement) und vom 14.01.2021 (zum Prinzip der Serendipität) vertieft worden.
Genau aufgrund der Freiwilligkeit ist es aber auch so wichtig, dass die Verantwortlichen der obersten Leitungsebenen sowie die Führungsmannschaft insgesamt dieses Thema immer wieder gezielt auf ihre Agenda setzen und es persönlich in ihrer Organisation fördern und einfordern.
Doch warum sollten sie das tun? Fakt ist: Die über ein Ideenmanagement beförderten Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter können für alle oben genannten „Musts“ erheblichen Nutzen stiften. Ein erster Schritt, Aufmerksamkeit und Unterstützung des Managements zu gewinnen, besteht deshalb darin, diesen Nutzen möglichst konkret aufzuzeigen (siehe auch den Blogbeitrag vom 02.01.2020 zu den Erfolgskriterien eines Ideenmanagements). Eine Übersicht zu den verschiedensten Nutzenaspekten eines Ideenmanagements folgt noch in einem späteren Blogbeitrag.
- Der finanzielle Nutzen kann dabei an erster Stelle stehen – allerdings nur, wenn er tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zu den Savings liefert. Dazu muss die errechnete Einsparung aus dem Ideenmanagement in einem attraktiven Verhältnis zum Gesamtumsatz bzw. Gewinn des Unternehmens stehen (jeweils pro Mitarbeiter). Das dürfte für viele Produktionsunternehmen erst dann der Fall sein, wenn die Einsparungsquote 500 € pro Mitarbeiter übersteigt – was im „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2019“ knapp 20% der teilnehmenden Produktionsunternehmen erreichen (siehe Blogbeitrag vom 24.04.2020). Bei zu geringer Einsparung pro Mitarbeiter hat das Ideenmanagement kaum Chancen, als „Business Case“ für das Top-Management interessant zu sein – dann wären andere Nutzenaspekte wichtiger.
- In nicht wenigen Unternehmen ist zwar die Einsparung pro Mitarbeiter gering – da insgesamt aber nur wenige Vorschläge eingereicht werden, ergibt sich eine hohe Einsparung pro Vorschlag. Das macht aus dem Ideenmanagement zwar immer noch kein „Business Case“ – trotzdem lässt sich hier mit den Werten des durchschnittlichen Einspareffekts von Ideen vielleicht doch Aufmerksamkeit wecken.
- Neben oder anstatt errechneten Einsparungen besteht ein wesentlicher Nutzen des Ideenmanagements in den realisierten Verbesserungen für die oben genannten „Musts“. Diese gilt es, den verantwortlichen und maßgeblichen Personen möglichst „hautnah“ erlebbar zu machen, da sich der eigentliche Nutzeffekt mit Zahlen nur unzureichend vermitteln lässt.
- Der Nutzen, den die Kulturdimension des Ideenmanagements haben kann, lässt sich am besten gemeinsam mit entsprechenden „Bündnispartnern“ vermitteln – beispielsweise mit den Zuständigen für Arbeitssicherheit oder für Personalentwicklung (siehe Blogbeitrag vom 13.11.2020 zum Erfolgsfaktor „Kooperation“). Hier gilt es, die Beiträge des Ideenmanagements – etwa zur Agilität des Unternehmens (z.B. internes Unternehmertum) oder zur positiven Außendarstellung (z.B. Nachhaltigkeit, Arbeitgebermarke) – plausibel zu machen.
Im Folgenden stellen wir zwei Beispiele vor, wie sich Aufmerksamkeit und Unterstützung des Top-Managements konkret zeigen können.
Praxisbeispiele:
Lufthansa Technik: Die Einbindung und Präsenz des Vorstands bei einem Ideenmanagement-Tag „my ideas Tag 2019“ (my ideas ist die Ideenmanagement-Marke der Lufthansa Technik AG) verdeutlichte und bestärkte das Commitment der obersten Leitung für das Ideenmanagement. Auf dieser Veranstaltung sollte der Nutzen von Ideen auch jenseits rechenbarer Einsparungen für das Management erlebbar und dadurch auch die Unterstützung und Zusammenarbeit im Hinblick auf das Ideenmanagement verstärkt werden. Zum Erfolg des Events trugen insbesondere folgende Maßnahmen bei:
- Managementbefragung vor der Konzepterstellung: Die eingeladenen Personen wurden gefragt, was ihnen der Tag bieten sollte, damit er für sie einen Mehrwert bewirkt. Als Antworten wurden z.B. genannt, von skalierbaren Ideen zu erfahren, konkrete Ideen anschauen zu können, Best Practice Beispiele übertragen zu können.
- Klare und gut platzierte Kernbotschaften sowie deren Visualisierung in einem Dialogbild: In Abstimmung mit der Astronautentrainerin Laura Winterling wurde eine Kernbotschaft nach dem Motto „Nur gemeinsam sind wir erfolgreich“ formuliert. Die Botschaft wurde in einem das Thema Raumfahrt widerspiegelnden Dialogbild visualisiert und auch nach der Veranstaltung zu Werbezwecken für das Ideenmanagement verwendet. Die Kernbotschaften finden sich in allen Veröffentlichungen zum Ideenmanagement wieder und wurden den Teilnehmern auch in der Keynote des Leiters Ideenmanagement nähergebracht.
- Intensives „Einladungsmanagement“: Einladungen wurden gestaffelt und in der Ansprache auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten per Outlookeintragung übermittelt. Zunächst wurden die hierarchiehöheren Ebenen eingeladen, nach deren Zusagen auch die nachfolgende Ebene.
- Bei Zusagen erhielten die Eingeladenen einen „Starter-Kit“ mit einer Karte, einer Wegbeschreibung und einem Puzzleteil des o.g. Dialogbilds. Dadurch sollte die Verbindlichkeit zur Teilnahme erhöht werden. Auf der Karte konnten die Eingeladenen angeben, in welchem Zeit-Slot sie bei der Veranstaltung dabei sein wollen. Angesichts des Zeitdrucks der meisten Teilnehmer wurden so individuelle Bedürfnisse berücksichtigt und zeitliche Flexibilität ermöglicht. Die Puzzleteile wurden während der Veranstaltung von den jeweiligen Teilnehmern unterschrieben und zum o.g. Dialogbild zusammengesetzt (Commitment, Symbolwirkung).
- Bei „Zusage unter Vorbehalt“ erhielten die Eingeladenen eine Karte mit der Bitte, die Karte mit einer verbindlichen Zu- oder Absage zurückzusenden.
- Für Restplätze wurden „Wild Cards“ verteilt.
- Attraktives Programm: Eine Abfolge von verschiedenen Sessions bot Abwechslung, Spaß, ein gutes Büffet und Möglichkeiten zum Austausch mit dem Vorstand. Highlights waren dabei:
- „Space Journey“ – ein Vortrag der Astronautentrainerin Laura Winterling zum Thema Kommunikation und Entscheidungsfindung (Tenor: Astronauten kommen als „Alphatiere“ ins Training, um es als Team zu verlassen ...).
- „Alien Planets“ – individuelle Workshops je Zielgruppe, u.a. Storytelling für Einreicher, um ihre Ideen besser „verkaufen“ zu können.
- „Inspiration Space“ – eine Ideenmesse, bei der man von Stand zu Stand gehen und sich „Ideen zum Anfassen“ ansehen konnte.
Abbildung 1: Programm des „my ideas Tag 2019“. [Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technik AG]
Der Vorstand würdigte die präsentierten Ideen, was in einem Video festgehalten wurde. Ein Linked In-Post des Vorstands über die Veranstaltung entfaltete eine hohe Multiplikatorwirkung. Die teilnehmenden Vorstände warben vor Ort für das Ideenmanagement und versprachen auch im Nachgang konkrete Unterstützungsangebote durch ihren persönlichen Einsatz.
Abbildung 2: Spaß, Abwechslung und Flying Buffet beim „my ideas Tag 2019“. [Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Lufthansa Technik AG]
Siemens Energy: Authentische Statements von maßgeblichen Personen und das persönlich gelebte Engagement von verantwortlichen Führungskräften tragen immer wieder erkennbar zum Erfolg des Ideenmanagements bei – etwa wenn …
- der CEO der RC Türkei persönlich den „3i Restart“ in seiner Region initiiert und die Anmoderation des 3i-Workshops für seinen Leitkreis übernimmt.
- die Standortleitung der Einheit „Energy Transmission Jinan“ in China beim ersten 3i-Regionaltreffen das lokale 3i-Programm vorstellt und seine Bedeutung für ihr Geschäft betont.
- die Einheit „Energy Transmission Jinan“ in China die 3i-Teilnahme durch gezielte Abteilungsworkshops und lokale 3i-Aktionen fördert (und so eine 100%ige Teilnahme seiner Mitarbeiter erreicht).
Abbildung 3: Authentische Statements von Schlüsselpersonen und ihre Mitwirkung in Workshops promoten das Ideenmanagement. [Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von SIEMENS Energy]
Weitere Beispiele für das Engagement von Vorständen beim Marketing und bei Preisverleihungen für Kampagnen wurden in den Blogbeiträgen zum „Erfolgsfaktor Prozess: Kooperation“ am 13.11.2020 und „Kampagnen, Wettbewerbe und andere Sonderaktionen – Praxisbeispiele“ am 29.10.2020 vorgestellt.
Lesen Sie auch die bereits veröffentlichten Beiträge:
Gern können Sie diesen Blogbeitrag mit einem Best Practice Beispiel aus Ihrem Unternehmen ergänzen. Bitte nehmen Sie bei Interesse Kontakt mit Dr. Hartmut Neckel auf.
Alle Produkterwähnungen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.
Hinweis: Die Identifikation und Beschreibung der „Erfolgsfaktoren“ basiert auf einem von Magnus Brückner (Siemens Energy) entwickelten Trainingskonzept für Führungskräfte, das wir für diese Serie von Blogbeiträgen u.a. im Expertenkreis „Globales Ideenmanagement“ gemeinsam weiter ausgearbeitet haben. An diesem Blogbeitrag wirkten als Co-Autoren insbesondere mit: Magnus Brückner (Siemens Energy) und Oliver Reichel-Busch (Lufthansa Technik AG).