Über 600 Seiten, rund 200 Abbildungen, 80 Tabellen: Die Ideenmanagement-Studie 2023 – größte und umfangreichste wissenschaftliche Studie zum Ideenmanagement im deutschsprachigen Raum – ist jetzt erhältlich. Das Autorenduo Nils Landmann (HYPE) und Prof. Dr. Hans-Dieter Schat (IU) hat detailliert untersucht, welche Faktoren den Erfolg eines Ideenmanagements nachhaltig beeinflussen und welche nicht.
Eine zentrale Erkenntnis: Die Qualität des Ideenmanagements ist deutlich gestiegen und es rechnet sich heute mehr denn je. So kletterte der Nutzen pro realisierter Idee auf aktuell 1.728 Euro. Das ungenutzte Einsparpotenzial des Ideenmanagements allein in Deutschland liegt laut Studie bei fast 20 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Überblick.
Die Ideenmanagement-Studie – sie erscheint seit 2016 als Gemeinschaftswerk von Prof. Hans-Dieter Schat (IU Internationale Hochschule) und Nils Landmann (Executive VP Services, HYPE) – verbindet auf einzigartige Weise Forschung und Praxis: Sie kombiniert langjährige Erfahrung in der Einführung und Neuausrichtung von Ideenmanagement-Systemen mit der wissenschaftlich fundierten Auswertung empirischer Daten. Die Studie gilt aufgrund ihres Umfangs und ihrer inhaltlichen Tiefe als Standardwerk für die Forschung und als unverzichtbares Instrument für alle Praktiker im Ideenmanagement – vom Newcomer bis zum „alten Hasen“.
Essentielles Praxistool – ob Newcomer oder „alter Hase“
Für Neueinsteiger liefert die Studie viele hilfreiche Erläuterungen und konkrete Handlungsempfehlungen. Erfahrene Ideenmanager profitieren von detaillierten Analysen, auf deren Basis sie ihr eigenes Ideenmanagement kritisch hinterfragen sowie punktuell weiterentwickeln und verbessern können. Wer in Forschung und Lehre tätig ist, erhält eine exzellente Basis für die eigene wissenschaftliche Arbeit. Und Studenten bietet die Studie über 500 analysierte Datensätze und Erkenntnisse, die bei der Erstellung von Master- und Bachelorarbeiten perfekt unterstützen.
Leserinnen und Lesern finden hier Antworten auf zentrale Fragen im Ideenmanagement, z.B.:
- Was macht ein Ideenmanagement erfolgreich?
- Was sind die größten Hindernisse/ Showstopper?
- Welche Kennzahlen und Methoden werden mit welchem Erfolg genutzt?
- Wie sehen die Benchmarks, Blueprints, Best Practices aus?
- Was machen die Besten der Besten anders?
Wer ein Ideenmanagement erfolgreich einführen und nachhaltig betreiben will, braucht verlässliche, valide Daten, auf denen sich aufbauen lässt. Auffallend sei laut Landmann, dass sich im Vergleich zu 2018, als die letzte große Studie erschien, nahezu alle Kennzahlen bis 2023 verschlechtert hätten: „Bis auf eine große Ausnahme: das Einsparpotential. Der Nutzen pro ist deutlich gestiegen und liegt aktuell bei 1.728 Euro. Die Vermutung liegt nahe, dass das klassische ‘Brot- und Buttergeschäft‘ – die Vielzahl von Ideen mit geringerem Nutzen – zurückgeht, die Anzahl der Ideen sich insgesamt verringert, diese dafür tendenziell komplexer werden, aber eben auch ein höheres Nutzenpotenzial aufweisen.“
Lernen von den Besten: High Performance Ideenmanagement
Es kommt noch besser: Die High Performer – Organisationen mit einem extrem erfolgreichen Ideenmanagement – zeigen, dass im Ideenmanagement Einsparungen von bis zu 950 Euro pro Mitarbeiter und Jahr erreichbar sind. Setzt man dies in Relation zu aktuellen Erwerbstätigenzahlen des Statistischen Bundesamts, dann läge das jährliche Einsparpotenzial durch Mitarbeiterideen allein in Deutschland bei rund 19,7 Milliarden Euro pro Jahr. „High Performance Ideenmanagement“, erläutert Schat, „ist in jedem Fall hocheffizient, im Vergleich länger etabliert und verfügt über einen hohen Reifegrad – kurz: Es ist ein Marathon, kein Sprint.“ Zentrale Insights dazu aus der Studie:
Organisationen mit einem High Performance Ideenmanagement
- haben einen bis zu dreifach höheren ROI,
- entscheiden schneller – für eine Entscheidung benötigen sie lediglich die Hälfte der Zeit,
- profitieren früher und intensiver vom Nutzen ihrer Ideen – diese werden fast doppelt so schnell umgesetzt und auch häufiger in anderen Bereichen wiederverwendet,
- haben ein hocheffizientes Ideenmanagement – jede zweite eingereichte Idee wird umgesetzt,
- erreichen mehr als doppelt so viele Beschäftigte mit ihrem Ideenmanagement.
Zentrale Erfolgsfaktoren
Natürlich möchte jeder ein High Performer sein. Nur, wie kommt man da hin, welche Erfolgsfaktoren helfen auf diesem Weg?
Die Studie zeigt: Der Anteil der Organisationen mit Zielen und Zielvereinbarungen im Ideenmanagement ist im Vergleich zum Vorgänger 2018 kräftig gestiegen – von rund 20 Prozent auf über 50 Prozent. „Das sagt viel aus über die Relevanz des Ideenmanagements“, so Landmann. „Unternehmen mit klar formulierten Zielen sind vergleichsweise jünger und haben bessere Werte in puncto Durchlaufzeiten, Realisierungs- und auch Beteiligungsquoten.“
Auch der intensive Einsatz von Dialogformaten – z.B. Workshops, Kampagnen, Ideensprints, KVP/Kaizen – ist der Studie zufolge empfehlenswert. Landmann: „Organisationen, die im Ideenmanagement engagiert Dialogformate nutzen, erzielen insgesamt bessere Ergebnisse als ihre Vergleichsgruppen. Der berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr ist zum Beispiel um 51 Prozent höher, die Beteiligungsquote steigt um knapp 30 Prozent.“
Ein altbekannter Faktor, der das Ideenmanagement begünstigen oder behindern kann, ist das Thema Managementsupport. Die neue Studie zeigt: „Es gibt eindeutig positive Effekte zwischen der Unterstützung durch das Management und der Beteiligungsquote sowie dem berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr – unabhängig davon, ob es sich dabei um das Topmanagement oder mittlere Management handelt. Führungskräfte können diese Faktoren direkt beeinflussen,“ so Schat.
Verstärktes Marketing scheint sich für das Ideenmanagement in allen Bereichen auszuzahlen. Auch hier sind deutliche Zusammenhänge erkennbar zwischen ausgeprägten Marketingaktivitäten und höherer Beteiligung sowie gestiegener berechenbarer Einsparung pro Mitarbeiter. Das Autorenduo gibt konkrete Handlungsempfehlungen, worauf man dabei achten sollte. Schat: „Wir empfehlen zum Beispiel eine gezielte Zielgruppenanalyse und -ansprache sowie die Einbeziehung des Topmanagements in die Marketingmaßnahmen.“
Wichtige Showstopper
In der Studie 2023 wurden erstmals auch die “Showstopper“ bzw. “Erfolgskiller“ im Ideenmanagement analysiert – Faktoren, die das Ideenmanagement ausbremsen, aber eben auch wichtige Impulse liefern für Verbesserungen. Das Autorenteam beleuchtete hier neben der Sichtweise von Ideenmanagerinnen und Ideenmanagern erstmals auch die der Beschäftigten.
Organisationen, in denen eine mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte zu beobachten ist, scheinen tatsächlich auch ein weniger erfolgreiches Ideenmanagement zu haben. „Hier rücken dann Themen wie Change-Management, Verhaltensänderungen, Führungskräftetrainings in den Fokus. Dabei lernt die Führungskraft, das Ideenmanagement gezielt zu nutzen, um die eigenen Ziele besser zu erreichen“, so Landmann.
Auch Kulturkonflikte können das Ideenmanagement behindern. „Offenbar ist das Ideenmanagement überfordert, wenn es als Treiber von Veränderungen der Unternehmenskultur verstanden wird oder sich selbst als solchen sieht“, so Schat. „Es braucht schon eine ideenfördernde Kultur – und Prozesse, die zur jeweiligen Unternehmenskultur passen, etwa bei einem internationalen Rollout.“
Ein schlechtes Image des Ideenmanagements wirkt sich der Studie zufolge stärker aus als ein guter Ruf. Landmann: „Meist ist es so, dass das Image gerade in den Bereichen schlecht ist, wo die Kennzahlen schlecht sind. Hier kann man mit verstärktem und gezieltem Marketing entgegenwirken, direkter Kommunikation mit den Mitarbeitern, Managementsupport – alles, was die Sichtbarkeit und positive Akzeptanz des Ideenmanagements fördert.“ Organisationen, die nach eigener Einschätzung kein Imageproblem haben, haben laut Studie im Ideenmanagement eine ca. 60% höhere Beteiligungs- und eine rd. 25% höhere Realisierungsquote.
Zu komplexe Prozesse und Systeme sind im Ideenmanagement ein bekanntes Problem und Hindernis. „Es geht hier um die Kannibalisierung des Ideenmanagements. Alle Verantwortlichen sollten sich fragen: Kann es sein, dass wir uns mit der Zeit von den eigentlichen Kundenbedürfnissen unserer Belegschaft entfernt haben – und merken vielleicht gar nicht, dass uns von anderen Prozessen und Methoden im Unternehmen das Wasser abgegraben wird,“ so Schat.
Neue Wege
Natürlich liefert die Studie auch jede Menge Denkanstöße. Vor allem drei Themen werden dem Autorenduo Landmann-Schat zufolge die Zukunft des Ideenmanagements bestimmen:
Integrative Prozessmodelle: Das Ideenmanagement agiert hier nicht isoliert, sondern wird mit anderen Verbesserungsinitiativen gekoppelt, beispielsweise mit dem KVP oder Innovationsmanagement. Schat: „Interessant ist: Vor allem der Betrieb eines Ideenmanagements zusammen mit KVP/KAIZEN sowie auch mit dem Innovationsmanagement scheint sich zu lohnen. Hier sind alle relevanten Kennzahlen besser als in den Vergleichsgruppen.“
Normierte Nutzenberechnung: Dieses Modell könnte bei der Nutzenbewertung helfen, speziell bei einem integrativen Modell (s. oben). Landmann erläutert: „Hier gibt es Probleme mit der Nutzenbewertung aufgrund der Art dieser Ideen – wie will ich etwa im Innovationsmanagement ein neues Geschäftsmodell bewerten? Wenn ich aber eine komplett abstrakte – normierte – Nutzeneinheit mit Punktevergabe einführe, kann ich damit umgehen. Ich sehe mir die Nutzendimension an, d.h. einzelne Nutzenpunkte in bestimmten Feldern, und kann ablesen, welchen konkreten Nutzen eine Idee stiftet im Hinblick auf Unternehmensziele und -strategie. Damit habe ich immer eine Vergleichbarkeit – und kann jede Art von Idee steuern.“
Vom Prämienmodell zum Anreizmodell: Die Prämierung im klassischen Modell ist in der Regel objektbezogen, d.h. ich prämiere eine Idee, und habe eine überwiegend extrinsische Motivation. „Das Anreizmodell geht viel weiter,“ so Landmann, „hier setze ich keine Anreize mehr für die Idee als solche, sondern ich incentiviere ein bestimmtes Verhalten, z.B. über eine Punktevergabe für kürzere Durchlaufzeiten oder schnellere Entscheidungen. Wenn ich neue Wege gehen möchte, werde ich mit einem klassischen Prämienmodell nicht weiterkommen – ich muss die Prämierung weiterfassen und auch andere Zielgruppen mit einbeziehen bzw. alle Stakeholder.“