"Take, make, waste" – noch immer beherrscht die Wegwerfgesellschaft die Weltwirtschaft. Dabei liegt die Zukunft in einem zirkulären, nicht linearen System: der Kreislaufwirtschaft. Die Circular Economy bietet nicht nur viele Vorteile für den Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz, sondern eröffnet auch neue wirtschaftliche Chancen. Wir zeigen Ihnen innovative Ansätze und wie Sie davon profitieren können.
Klimawandel, Ressourcenmangel, Überkonsum – die Kreislaufwirtschaft bietet Lösungen für viele Probleme unserer Zeit. Ihr Kernprinzip: Statt linearem Verbrauch setzt sie auf Nachhaltigkeit und Schonung von Rohstoffen durch Recycling, Wiederverwendung und innovatives Design. Unternehmen können Ressourcen effizient nutzen und zugleich nachhaltig wachsen. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Kreislaufwirtschaft Ihre CO2-Emissionen um bis zu 45 Prozent senken kann?
In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen die Kernprinzipien der Circular Economy, welche ökologischen und ökonomischen Vorteile sie bietet und wie wir alle dazu beitragen können.
Was ist Kreislaufwirtschaft?
Es gibt viele Missverständnisse über den Begriff und die Bedeutung von Kreislaufwirtschaft. Die einen meinen damit einfach nur Recycling, andere sehen darin einen kommerziellen Ansatz, bei dem Nachhaltigkeit als Marketingstrategie innerhalb eines Unternehmens genutzt wird.
Was ist es denn jetzt?
Kreislaufwirtschaft (engl. circular economy) ist ein nachhaltiges System, das darauf abzielt, Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emissionen und Energieverschwendung zu minimieren, indem Energie- und Materialkreisläufe verlangsamt, reduziert und geschlossen werden. Zirkuläre Methoden sind zum Beispiel: langlebige Konstruktionen, regelmäßige Instandhaltung, Reparaturen, Wiederverwendung, Remanufacturing, Refurbishing und Recycling. Recycling ist oft die letzte Option.
Kati Pallasaho, Senior Vice President, Strategy and Sustainability bei der finnischen Lindström Group und eine unermüdliche Verfechterin der Nachhaltigkeit, beschreibt es so:
„Die Kreislaufwirtschaft stellt ein völlig neues Paradigma dar, das unsere Art zu wirtschaften und kommerzielle Aktivitäten grundlegend verändert. Im Gegensatz zur linearen Wirtschaft, die Ressourcen entnimmt, Produkte herstellt, diese nutzt und am Ende entsorgt, zielt die zirkuläre Wirtschaft darauf ab, Ressourcen in geschlossenen Kreisläufen zu halten.“
Für mich stellt dieser Paradigmenwechsel einen tiefgreifenden Wandel für unsere Gesellschaft dar, um Probleme wie den Klimawandel, die Erhaltung natürlicher Ressourcen und die Artenvielfalt zu bewältigen.
Kati Pallasaho, Senior Vice President, Strategy and Sustainability, Lindström Group
„Die Idee der Kreislaufwirtschaft“, so Pallasaho weiter, „beinhaltet vor allem Reparatur und Verlängerung der Produktlebensdauer, unabhängig von der Produktart. Zwei wichtige Ansätze dabei: Produkte langlebiger zu gestalten und das Prinzip des Teilens."
Abb. 1: Wiederverwerten statt Wegwerfen: Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft (Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung)
Lineare Wirtschaft – ein Auslaufmodell
Jährlich entstehen weltweit über sieben Milliarden Tonnen Abfall, davon über zwei Milliarden Tonnen Siedlungsabfall, so das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Allein in Deutschland fallen jährlich sechs Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Das entspricht 76 Kilogramm pro Kopf, 38 davon entfallen allein auf Verpackungen.
Es erfordert also neue Wege für Staaten, Unternehmen und Bürger, um nachhaltiger zu handeln. Unternehmen müssen beispielsweise ihre Produktionsmethoden überdenken, Verbraucher Einwegartikel wie Coffee-to-Go-Becher vermeiden. Abfallvermeidung ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der nicht nur durch staatliche Maßnahmen, sondern vor allem auch durch individuelles Verhalten und kollektive Anstrengungen erreicht wird.
Kati Pallasaho von der Lindström Group:
"Der Earth Overshoot Day, der Erdüberlastungstag, markiert den Tag im Jahr, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde in einem Jahr bereitstellen kann. Derzeit verbrauchen wir Ressourcen in einer Größenordnung von 1,7 Erden, überschreiten also die Kapazität der Natur um 70 %. Das sollte ein Weckruf für uns alle sein, unser Ressourcenmanagement zu überdenken. Die lineare Wirtschaft können wir uns schlicht nicht mehr leisten. So können wir nicht weitermachen."
Benefits aus Business-Perspektive
Tatsächlich bietet die Circular Economy viele Vorteile für die Wirtschaft. Emanuel Chibesakunda, Partner, Circular Economy im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland, formuliert es so: „Kreislaufwirtschaft gibt Unternehmen die Chance, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern, neue Einnahmequellen zu erschließen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Einflüssen zu erhöhen. Kurzum: Die Kreislaufwirtschaft bietet Lösungen für einige der drängendsten Fragen, mit denen sich Unternehmen heutzutage konfrontiert sehen.“
Sie ist auch ein mächtiger Hebel für den Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz und sichert unsere Unabhängigkeit gegenüber Rohstoffimporten. Hierzu ein paar Zahlen:
- Die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft könnte einen wirtschaftlichen Nutzen von weltweit 4,5 Billionen Dollar haben – pro Jahr
- Bis 2030 könnte dies weltweit 1015 Milliarden US-Dollar einsparen
- In Europa könnte sie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,5 % steigern und 700.000 neue Arbeitsplätze schaffen
- Die jährliche Wertschöpfung in der EU könnte auf 80 Milliarden Euro ansteigen
- Die Kreislaufwirtschaft könnte 45 % der globalen Emissionen reduzieren
- 105 Milliarden Euro Umsatz, 310.000 Beschäftigte und eine Zirkularitätsrate von 12,7 Prozent: Wachstumszahlen der Kreislaufwirtschaft in Deutschland
- Deutschland könnte im Jahr 2050 dadurch etwa 68 % weniger Primärrohstoffe gegenüber dem Jahr 2018 benötigen
(Quellen: World Economic Forum, Heinrich-Böll-Stiftung, Quarks, 320°)
Die Kreislaufwirtschaft gibt Unternehmen die Chance, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern, neue Einnahmequellen zu erschließen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Einflüssen zu erhöhen.
– Quelle: PwC Deutschland
Abb. 2: Quelle: Unsplash
Hinzu kommt: die Kreislaufwirtschaft bietet Unternehmen auch neue Einnahmequellen durch Dienstleistungen und den Verkauf generalüberholter Produkte. Sie können dadurch weitere, umweltbewusste Kundensegmente ansprechen und so zusätzliche Erlöse erzielen. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell verbessert auch das Employer Branding, da immer mehr Talente für umweltbewusste Unternehmen arbeiten möchten.
Klingt fantastisch, aber natürlich gibt es immer Kehrseiten. Kritiker der Kreislaufwirtschaft argumentieren, dass ein vollständiger Kreislauf aufgrund von Materialverlusten und Entropie unmöglich sei, was zu einem erhöhten Materialeinsatz und hohen Kosten führen könnte. Es wird auch befürchtet, dass die Probleme des Überkonsums und der Ressourcenverschwendung nur verschoben statt gelöst werden könnten.
Kati Pallasaho von der Lindström Group kennt diese Argumente: „Ich glaube, dass die Vorstellung von erhöhtem Verbrauch in der Kreislaufwirtschaft aus einer alten, linearen Denkweise stammt. Für mich geht es dabei nicht um mehr Konsum, sondern darum, wie wir Produkte reparieren und ihre Lebensdauer verlängern können, sei es Elektronik, Kleidung oder andere Produkte. Ein Schlüsselansatz ist, Produkte langlebiger zu gestalten.“
Sandra Fernholz, Head of Social Impact and Sustainability bei Softwarehersteller Hype Innovation, kann ihr nur beipflichten: „Nachhaltigkeit ist kein Nice-to-have, sondern eine absolute Notwendigkeit. Das Thema erfordert von Anfang an volle Aufmerksamkeit – und die Neugestaltung des Geschäftsmodells, von Produkten oder Dienstleistungen. Wenn wir Nachhaltigkeit nicht mehr als Hindernis oder kostspielige Verpflichtung betrachten, sondern als Treiber und Chance, ändert sich alles. Entscheidend ist, dass wir unsere Denkweise ändern.“
Vom linearen zum zirkulären Modell – so gelingt der Übergang
Aber wie klappt denn nun der Übergang von einem linearen zu einem zirkulären Modell? Wir haben gehört, es ist ein Paradigmenwechsel, so leicht kann es also nicht sein.
Kati Pallasaho erzählt, wie es der Lindström Group gelungen ist. Die Lindström Group, ein 175 Jahre altes finnisches Textilverleihunternehmen und tätig in 23 Ländern, hat seit den 1930er Jahren ihr Kreislaufwirtschaftsmodell kontinuierlich verbessert. Pallasaho:
„Neben dem Mietservice für Textilien bieten wir auch deren Wartung inklusive Waschen, Reparatur und Lieferlogistik an und haben dabei frühzeitig auf Upcycling, Recycling und Wiederverwendung gesetzt. Bereits 2018 wurde das Ziel initiiert, bis 2025 100 Prozent der Produkte zu recyceln und 30 Prozent der gekauften und vermieteten Textilien aus recycelten oder biobasierten Materialien herzustellen. Angesichts der jährlichen Produktion von etwa 100 Milliarden Textilien für 8 Milliarden Menschen ist das nur recht und billig.“ Dies unterstützt auch die Ziele des European Green Deal der EU-Kommission, bis 2050 Klimaneutralität der EU zu erreichen.
Natürlich braucht das Zeit. Kati Pallasaho: „Viele Unternehmen wie wir standen oder stehen vor kulturellen und sozialen Herausforderungen bei der Akzeptanz recycelter Materialien, speziell in China. In Europa hingegen gibt es eine stetig steigende Nachfrage nach nachhaltigen Materialien. Kunden sind hier umweltbewusster und fragen aktiv nach, ob Produkte nachhaltig sind oder ob recycelte Materialien verwendet werden.“
Das Cradle-to-Cradle-Prinzip
Das Cradle to Cradle (C2C, dt. "von Wiege zu Wiege“)-Konzept für eine umfassende Kreislaufwirtschaft wurde Ende der 1990er-Jahre von Michael Braungart und William McDonough entwickelt. Produkte nach dem C2C-Prinzip werden entweder als biologische Nährstoffe recycelt oder als technische Rohstoffe wiederverwendet. Ziel ist es, Abfälle zu vermeiden und Ressourcen nachhaltig zu nutzen, was durch Zertifizierungen gewährleistet wird. Der Ansatz hat positive Auswirkungen auf Umwelt, Mensch und Wirtschaft, reduziert Umweltauswirkungen, spart Primärrohstoffe und verringert die Abhängigkeit von Importen.
Abb. 3: Quelle: Unsplash
Viele Dinge müssen sich ändern – vom Verbraucherverhalten über die Arbeitsweise der Unternehmen bis hin zu Anreizen des Gesetzgebers.
Alle Interessengruppen sind gefordert
Wo liegen die größten Herausforderungen? Sind es Anreize seitens der Politik? Ist es das Engagement der Unternehmen oder das Verbraucherverhalten? Was sticht hervor?
Für Kati Pallasaho von Lindström liegt die größte Herausforderung in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Parteien: „Die größte Hürde besteht darin, alle Interessengruppen mitzunehmen und den Wandel gemeinsam voranzutreiben. Wenn wir zum Beispiel mehr recycelte Materialien in unsere Textilprodukte einbringen wollen, müssen wir nicht nur mit den Stoffherstellern zusammenarbeiten, sondern auch mit unseren Recyclingpartnern. Um den Fortschritt auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen, bedarf es der Zusammenarbeit aller Beteiligten.“
Das sei aber kein leichter Weg, meint die Nachhaltigkeitsexpertin: „Bei der Entwicklung neuer Materialien dürfen wir keine Kompromisse in punkto Haltbarkeit eingehen. Bei unseren industriellen Wäschereien bei Lindstrom müssen zum Beispiel die verwendeten Stoffe langlebig sein. Daher testen und entwickeln wir unsere Textilien ständig weiter. Der Recyclinganteil in Textilien darf die Lebensdauer nicht beeinträchtigen; recycelte Materialien müssen genauso langlebig sein wie neue.“
Um eine echte Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müssen aber nicht nur Materialien und Produkte so entwickelt werden, dass sie langlebig, reparierbar und wiederverwertbar sind. Es müssen auch tiefere Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden.
Klar ist: Wir als Verbraucher müssen unsere Vorstellung von Eigentum hinterfragen und alternative Nutzungsmöglichkeiten in Betracht ziehen: Teilen, Leasen, den Kauf gebrauchter Gegenstände. Die Frage ist: Müssen wir wirklich alle Produkte besitzen? Wäre es nicht sinnvoller, sie bei Bedarf zu mieten? Oder, Hand aufs Herz, wie oft nutzen Sie zum Beispiel einen Bohrer? Reicht es nicht, ihn zu mieten, wenn Sie ihn brauchen?
Viele Verbraucher sind schon auf dem richtigen Weg. Laut einer Eurobarometer-Umfrage würden zum Beispiel 77 % der EU-Bürgerinnen und -Bürger ihre Elektrogeräte lieber reparieren als wegzuwerfen. Um die Reparatur von Produkten systematisch zu fördern, hat die EU das neue "Recht auf Reparatur" beschlossen: Seit April 2024 sind Hersteller verpflichtet, Geräte auch nach der Gewährleistungszeit kostengünstig und zeitnah zu reparieren. Verbraucher haben Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und Reparaturinformationen sowie Anreize wie Gutscheine und Fördergelder. Online-Plattformen unterstützen die Suche nach Reparaturdiensten und generalüberholten Geräten. Ziel ist es, Abfälle zu reduzieren, die Reparaturbranche zu stärken und bis 2050 zur Klimaneutralität der EU beizutragen.
Zurück zur Textilbranche, Thema Fast-Fashion. Hier ist längst ein Umdenken erfolgt. In Frankreich gibt es zum Beispiel Vorschläge, eine Abgabe von 5 Euro auf Fast-Fashion-Kleidung zu erheben, die aus dem Ausland auf den Markt kommt. Und in Deutschland? Laut einer Umfrage von Momox Fashion, dem europäischen Marktführer für den Online An- und Verkauf von Secondhandartikeln, haben 67 Prozent der Deutschen bereits Secondhandkleidung gekauft. Für 84 Prozent der Befragten hat der Secondhandkauf den Kauf eines neuen Kleidungsstücks ersetzt. 87 Prozent gaben an, secondhand zu shoppen, weil es gut für die Umwelt ist.
Der Übergang von einer Kultur des Besitzes zu einer Kultur des Teilens ist ein entscheidender Schritt.
Unternehmen könnten in der Konsequenz neue Geschäftsmodelle verfolgen, die nicht nur den reinen Verkauf im Blick haben, sondern auch nachhaltige Zusatzleistungen anbieten wie Reparaturen oder Vermietungen, und sich so neue Einnahmequellen erschließen.
Außerdem sind Partnerschaften notwendig, um Recyclingziele zu erreichen und wertvolle Rohstoffe bereitzustellen, wenn Produkte das Ende ihres Lebenszyklus erreichen. Solche Kooperationen können sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene stattfinden.
Nachhaltigkeitspionier Wilo praktiziert das zum Beispiel par excellence: Dort bildet man Netzwerke, um das Thema Circular Economy voranzutreiben, und kooperiert mit entsprechend aufgestellten Partnern, wie z.B. Abfallverwertern.
Zukunftsweisende Beispiele aus der Praxis
Viele weitere Initiativen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zeigen, dass viele Marktteilnehmer heute bereit sind, ressourcenschonend zu handeln. Beispiele sind die Circular Economy-Initiative des BDI, der Circonomy Hub der Fraunhofer-Gesellschaften, das Netzwerk Circular Futures von ProjectTogether und die Circular Economy Initiative Deutschland (CEID) von acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Auch das Modell Deutschland Circular Economy des WWF und viele lokale Initiativen experimentieren mit nachhaltigen Lebens- und Konsumoptionen.
Und hier einige spannende Beispiele aus der Wirtschaft:
Jährlich werden weltweit mindestens 1 Milliarde Altreifen entsorgt, die schwer wiederverwertbar sind. Pyrum Innovations aus dem Saarland hat eine Technologie entwickelt, um die Ressourcen aus Altreifen nahezu vollständig zurückzugewinnen. Bis 2025 sollen 50 Werke in Europa entstehen und 100.000 Tonnen Öl an BASF geliefert werden, das unter anderem in Outdoor-Textilien von Vaude verwendet wird.
Das Textilunternehmen Trigema gestaltet rund zehn Prozent seiner Kollektion nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Diese Produkte sind vollständig kompostierbar und biologisch abbaubar, zerfallen innerhalb von neun Monaten und unterstützen die Kreislaufwirtschaft. Kunden können alle Textilprodukte der Cradle-to-Cradle-Kollektion direkt bei Trigema abgeben oder dorthin zurücksenden.
Abb. 4: Berge von Müll – 92 Millionen Tonnen Textilien jährlich (Quelle: Deutsche Welle)
Fakt ist: 92 Millionen Tonnen alter Textilien pro Jahr landen im Müll, wovon nur ein Prozent recycelt wird. Recycler fehlen oft Informationen über die Stoffzusammensetzung der gesammelten Kleidung, was eine hochwertige Verwertung behindert und wertvolle Ressourcen verschwendet. Das Berliner Start-up circular.fashion arbeitet an einer intelligenten Sortiermaschine, die automatisch anhand einer Circular-ID Textilien erkennt und vorsortiert. Diese Technologie soll eine optimale Wiederverwertung oder Recyclingmethode für jedes Produkt berechnen.
Das Konzept der Circular-ID heißt auf europäischer Ebene "Produktpass" und ist im Circular Economy Action Plan der EU ein wichtiger Ansatz zur Förderung einer ressourcenschonenden Wirtschaft. Er standardisiert Informationen zur Herkunft, Zusammensetzung, Reparaturmöglichkeiten und Entsorgung von Produkten.
Werner & Mertz, bekannt für seine Marke Frosch, ist ein Vorreiter des Cradle-to-Cradle-Prinzips in der Reinigungsmittelindustrie. Das Unternehmen setzt auf stoffliches Recycling, da es ökologisch sinnvoller und nachweisbar effizienter als chemisches Recycling ist. Dieser Ansatz wird unterstützt durch die Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, um die Kreisläufe zu schließen.
Novelis ist Weltmarktführer für flachgewalztes Aluminium und ein Pionier für Aluminium-Kreislaufkonzepte. In Sachsen-Anhalt recycelt das Unternehmen jährlich bis zu 400.000 Tonnen Aluminiumschrott und spart dabei 95 Prozent der Energie im Vergleich zur Primärerzeugung. Mit einem Recyclinganteil von 61 Prozent zeigt Novelis, dass Kreislaufwirtschaft in der Metallbranche fest verankert ist.
Großes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft bietet insbesondere die Baubranche, da sie ressourcen- und CO2-intensiv ist, insbesondere durch den Einsatz von Zement. Trotz langsamer Fortschritte gewinnt nachhaltiges Bauen dank EU-Taxonomie und Circular Economy Action Plan an Bedeutung. Kreislaufwirtschaft im Bauwesen umfasst verbessertes Abfallmanagement, effizienteres Design und die Nutzung weniger CO2-intensiver Rohstoffe. Zirkuläres Bauen minimiert Umweltbelastungen und ermöglicht die Wiederverwendung von Baumaterialien nach dem Abriss.
Ein Erfolgsmodell für zirkuläres Bauen und Gebäude mit Vorbildfunktion ist zum Beispiel das im Herbst 2023 eingeweihte Bürogebäude des Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau. Der Bau versorgt sich im Betrieb komplett selbst durch erneuerbare Energien, z.B. dank Photovoltaik und Wärmepumpe. Zudem wurden umweltfreundliche Baustoffe wie Recyclingbeton und Dämmungen aus nachwachsenden Rohstoffen verwendet
Abb. 5: Das modernste Bürogebäude Deutschlands (Quelle: Mitteldeutsche Zeitung)
Madaster, ein junges Startup, entwickelt Materialpässe für Gebäude, um den zirkulären Einsatz von Materialien zu ermöglichen. Diese Pässe machen sichtbar, welche Materialien verbaut wurden, und fördern die Wiederverwendung von Rohstoffen.
Resümee
Sandra Fernholz, Nachhaltigkeitsexpertin bei Hype, betont abschließend die Notwendigkeit von Innovation und Nachhaltigkeit für jede Organisation: „Innovation und Nachhaltigkeit sind nicht optional, sondern unverzichtbar. Ohne werden Sie nicht überleben – das ist Fakt. Mit einem veränderten Bewusstsein und Perspektivwechsel fängt alles an – dann erst sollten andere Maßnahmen folgen. Wir haben den unternehmerischen Ansatz herkömmlicher Gewinnorientierung deshalb auf das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung umgestellt, die Triple-Bottom-Line.“
Kati Pallasaho von Lindström fasst für uns zum Schluss die Kernpunkte zur Förderung der Kreislaufwirtschaft zusammen: „Als Verfechterin der Kreislaufwirtschaft sehe ich Verbraucher in der Verantwortung, über ihren Konsum nachzudenken und zum Beispiel über den Kauf gebrauchter Produkte. In der Wirtschaft sollten wir Alternativen wie das Mieten und Teilen von Anlagen und Produkten fördern. Für Nachhaltigkeitsexperten ist es entscheidend, bestehende Geschäftsmodelle zu überdenken und die Kreislaufwirtschaft als zentralen Weg zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Schutz der Natur zu nutzen.
Wir sind zwar nicht so schnell, wie wir sein sollten – weniger als 10% unserer Materialien werden wirklich im Kreislauf geführt – doch der Aufstieg der Kreislaufwirtschaft zu einem Megatrend gibt mir Hoffnung, dass sich das Bewusstsein weiter vertiefen und bald in konkrete Maßnahmen umsetzen wird!“