Der Blog für Ideenmanager

Qualitätsmanagement und KVP - Duo mit Potenzial

Geschrieben von Prof. Dr. Hans-Dieter Schat | 02.11.22 09:15

Qualitätsmanagement und kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP): Was steckt konkret hinter den beiden Prozessen, was eint sie – und wie lassen sie sich bestmöglich für ein erfolgreiches Ideenmanagement nutzen? Wir klären auf.

Hinweis der Redaktion: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Artikel die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.


Naive Definition „Qualitätsmanagement“

Was stellt sich Max Mustermann naiv unter „Qualitätsmanagement“ vor?

„Qualitätsmanagement“ ist eine Abteilung, die aufpasst, dass alles nach Plan läuft. Dass die Produkte genau so produziert werden, wie es der Plan vorsieht und mit genau den Eigenschaften ausgeliefert werden, die vorher festgelegt wurden. Marktforschung und Marketing, Entwicklung, Konstruktion und Produktionsvorbereitung haben sich intensiv Gedanken gemacht, wie ein Produkt beschaffen sein soll. Nun produziert die Produktionsabteilung die Produkte, und das Qualitätsmanagement sorgt dafür, dass die Produkte auch die vorab bestimmten Eigenschaften erhalten.

Wenn ein Unternehmen keine Produkte erstellt, sondern Dienstleistungen, dann wird Max Mustermann für das Qualitätsmanagement die gleiche Funktion vermuten: nämlich an eine Abteilung denken, die aufpasst, dass die geplanten Eigenschaften eingehalten werden. Vielleicht ist dies bei einigen Dienstleistungen schwerer zu messen als bei manchen Produkten, aber der Grundansatz bleibt.

Naive Definition KVP „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess“

Wie stellt sich Max Mustermann einen „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ (KVP) vor? Vermutlich ein bisschen wie „Jugend forscht“. Regelmäßig kommen die Beschäftigten aus einem Arbeitsbereich zusammen. Dann wird diskutiert, was man verbessern könnte. Und es wird mal diese, mal jene Veränderung ausprobiert. Manchmal wird es durch eine Veränderung noch schlechter. Manchmal führt eine Veränderung zu einer Verbesserung. Dann sollte diese Verbesserung zum neuen Standard erklärt werden.

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ist etwas anderes als ein betriebliches Vorschlagswesen (BVW). Im betrieblichen Vorschlagswesen werden Verbesserungsvorschläge eingereicht. Dann überprüft ein Gutachter, ob der Vorschlag umgesetzt werden soll. Erst wenn ein Fachmensch die Sinnhaftigkeit eines Vorschlags überprüft, dies mit seiner Unterschrift bestätigt und so die Verantwortung übernommen hat, erst dann wird ein Vorschlag aus dem betrieblichen Vorschlagswesen in die Praxis umgesetzt. Beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess fehlt solch eine Instanz. Wenn sich die Verbesserungsgruppe und der Vorgesetzte einig sind, dann wird experimentiert.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) in einigen Branchen fast unbekannt ist. Ich erinnere mich an ein Gespräch in einem Produktionsunternehmen für Arzneimittel: Ja, man wisse schon, an welchen Stellen der Prozess überhaupt nicht optimal laufe. Aber es sei einfach zu teuer, einen neuen, verbesserten Prozess zu zertifizieren.

KVP zu teuer? Zu aufwändig? Dann stimmt etwas nicht!

Ein erster Hinweis darauf, dass diese naiven Definitionen eben naiv sind, kommt von Toyota. Toyota hat eine eigene Variante des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses entwickelt: Kaizen. Hierzu gibt es in diesem Blog einen eigenen Beitrag: Die Kaizen Methode – die Kraft der kleinen Schritte: Sinnvoll einsetzen, aber wie?

Toyota ist auch bekannt für einen hohen Qualitätsstandard. Ja, in einigen wenigen Fällen hat das Qualitätsmanagement bei Toyota versagt, aber das hat vor allem deshalb solche Schlagzeilen gemacht, weil man von Toyota hohe Qualität erwartet hat. Seit 2010 werden auch keine schweren Qualitätsprobleme mehr von Toyota gemeldet.

Seinen Ansatz hat Toyota im Lean Management systematisiert. Wenn man sich ein wenig in Lean Management einliest, dann kommt man schnell zur Erkenntnis: Qualitätsmanagement und KVP passen sehr gut zusammen. Vielleicht wird dies noch klarer, wenn wir uns nicht-naive Definitionen zum Qualitätsmanagement und KVP ansehen.

Definition Qualitätsmanagement

Einer der Altmeister des Qualitätsmanagements ist Joseph M. Juran. Er hat eine Qualitätstrilogie entwickelt (wörtlich: The Quality Trilogy, vielleicht besser zu übersetzen als „Qualitäts-Dreisprung“). Die erste Phase ist die Qualitätsplanung mit Fragen wie:

  • Wer ist der Kunde?
  • Was braucht der Kunde?
  • Welche Eigenschaften des Produkts braucht der Kunde?

Und schließlich: Wie produzieren wir ein Produkt mit den Eigenschaften, die der Kunde braucht?

Die zweite Phase ist Qualitätssteuerung, mit wiederum drei Phasen oder Leitfragen:

  • Was produzieren wir aktuell?
  • Welche Abweichungen gibt es zum Plan?
  • Was tun wir mit diesen Abweichungen?

Die dritte Phase ist die Qualitätsverbesserung. Hierzu können alle sinnvollen Methoden und Werkzeuge eingesetzt werden.

Grafisch sieht das dann so aus:
Abb. 1: Qualitätstrilogie nach Juran (Quelle: juran.com)

Dem Kenner fallen hier zwei Punkte auf:

  • Qualitätsmanagement kümmert sich nicht nur um Qualität, sondern will Verschwendung überhaupt vermeiden.
  • Der Dreisprung von Juran hat im Grunde die gleiche Struktur wie der PDCA von Deming.


Exkurs: der PDCA von W. Edwards Deming

Wie gehen wir systematisch bei einer Verbesserung vor? Am besten in vier Schritten:

  • Was soll verbessert werden? Wo soll etwas verbessert werden? Warum laufen die Dinge nicht, wie wir es möchten? Was können Ursachen sein, wie kann man sie beseitigen?
    Das ist der erste Schritt: Plan.
  • Wir verändern etwas. Am besten in kleinem Maßstab, wo eine Veränderung keinen großen Schaden anrichten kann. So können wir testen, was die Veränderung bewirkt. Der zweite Schritt ist „tun“, also Do.
  • Nach einiger Zeit, vielleicht ein paar Tagen oder Wochen, sehen wir nach, was sich Verändert hat. Waren unsere Vermutungen richtig, dann müssten sich die Dinge verbessert haben. „Überprüfen“ oder Check ist der dritte Schritt.
  • Wenn wir eine Verbesserung festgestellt haben, dann werden wir diese Vorgehensweise überall als neuen Standard einführen. Wenn wir keine Verbesserung sehen, dann wissen wir immerhin mehr über das Problem. Der vierte Schritt ist „handeln“ oder Act, und damit ist der PDAC vollständig. Vermutlich sind damit aber noch nicht alle Probleme gelöst, so dass auf das „Act“ wieder ein neues „Plan“ folgt.
  1. William Edwards Deming hat den PDCA-Zyklus entwickelt und bekannt gemacht. Er war als US-amerikanischer Statistiker direkt nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan eingesetzt, als die USA Japan nach seiner Kapitulation verwaltete. Neben seiner Tätigkeit für die amerikanische Regierung hielt Deming in Japan Vorträge und Seminare zur statischen Prozesskontrolle in der Fertigung – und so kam sein PDCA-Zyklus zum Lean Management.

Definition Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Der naive Ansatz von Max Mustermann war schon gar nicht so schlecht. Ja, beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess treffen sich die Beschäftigten aus einem Arbeitsbereich (Bediener einer Maschine, Projektmitarbeiter für einen Kunden, Kollegen aus einem Lager, …). Die Treffen finden regelmäßig statt, beispielsweise eine Stunde pro Woche. Ja, es wird diskutiert, aber nicht allgemein über alles Mögliche, was verbessert werden könnte. Sondern: Die Gruppe diskutiert über Themen, die vom Unternehmen, von Führungskräften vorgegeben werden. Dies sind Themen, bei denen das Unternehmen wirklich einen Verbesserungsbedarf hat. Es sind Themen, bei denen Verbesserungen zu einer deutlichen Verbesserung des Unternehmens insgesamt führen.

Die Diskussionen finden auch nicht einfach nach dem Motto ARD statt („Alle Reden Durcheinander“). Die Diskussion wird anhand eines Leitfadens, eines Problemlöseblatts durchgeführt. Eine erste Rubrik dort folgt dem Schema ZDF (Zahlen, Daten, Fakten).

Entscheidungen über Versuche und über die endgültige Veränderung von Verfahren werden von den zuständigen Führungskräften getroffen –so, wie bei allen anderen Entscheidungen auch.

Zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess gibt es einen eigenen Beitrag in diesem Blog: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) – Kleine Schritte mit großer Wirkung.

Allgemeine Rechtslage für das Qualitätsmanagement

Jedes Unternehmen kann grundsätzlich sein Qualitätsmanagement so gestalten, wie es ihm sinnvoll erscheint. Wenn ein Unternehmen allerdings eine ISO-Zertifizierung oder eine Auszeichnung nach dem EFQM-Modell erhalten will, dann gelten ein paar Regeln, die hier vorgestellt werden sollen.

Für spezielle Branchen gelten besondere Regeln. Wer aber Teile für Flugzeuge oder Autos, für das Militär oder im Bereich Medizintechnik erstellt, kennt ohnehin die dort einschlägigen Regelwerke.

ISO 9001
Die DIN EN ISO 9001:2015 ist die wohl am weitesten verbreitete Norm für Qualitätsmanagement in Deutschland. Die Grundstruktur dieser Norm entspricht der Grundstruktur weiterer Normen, etwa für Umweltschutzmanagement oder für Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie. Dies trifft auch auf die Stellung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu. So kann die ISO 9001 als typisches Beispiel für Normen im Qualitätsmanagement beschrieben werden.

Der Aufbau der ISO 9001 entspricht weitgehend dem PDCA-Zyklus von W. Edwards Deming.

Die Norm beginnt mit einführenden Kapiteln zu Anwendungsbereich, Verweisen und Definitionen. Diese Kapitel haben keine Entsprechung im PDCA-Zyklus.

Die Kapitel

  4. Kontext der Organisation
  5. Führung und
  6. Planung

werden der „Plan“ Phase des PDCA zugeordnet. Es folgen die Kapitel

  7. Unterstützung und
  8. Betrieb

für die „Do“ Phase und

  9. Bewertung der Leistung

für die „Check“ Phase.

Kapitel 10. Verbesserung gehört zur „Act“ Phase – und adressiert mit Kapitel 10.3 „Fortlaufende Verbesserung“ zugleich den Verbesserungszyklus insgesamt.

Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess wird von der der ISO 9001 also ausdrücklich gefordert. Jede Organisation, die gemäß ISO 9001 oder einer vergleichbaren Norm zertifiziert werden möchte, muss nachweisen, dass ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess eingerichtet und durchgeführt wird.


Excellence Modell der European Foundation for Quality Management

Das Business Excellence Modell der European Foundation for Quality Management (kurz: EFQM) wurde um 1990 entwickelt und eingeführt. Zunächst als lineares Modell mit vielen Kästchen, in der Version 2020 wird es eher als Zyklus verstanden:

Abb. 2: Das EFQM-Modell (EFQM 2019, S. 6)

In jedem der angegebenen Kriterien und Unterkriterien, von „Zweck, Vision & Strategie“ bis „Ergebnisse: Wahrnehmungen der Interessengruppen“ können Organisationen Punkte bekommen. Für wenige Punkte kann dann eine Organisation eine Urkunde als „Recognized for Excellence“ erhalten, für viele Punkte kann der Ludwig-Erhard-Preis unter der Schirmherrschaft des Bundes-Wirtschaftsministers verliehen werden.

Wo findet sich in diesem Modell der kontinuierliche Verbesserungsprozess? Eigentlich gar nicht. Die Erläuterung von „Realisierung“ nennt als letzten Punkt „Bewertung & Verbesserung“. Aber das ist eine Erläuterung, dazu werden keine Nachweise erwartet. Das Unterkriterium „Leistungsfähigkeit & Transformation vorantreiben“ geht schon eher in die Richtung. Der eigentliche Ansatz für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess ist aber ein anderer:

Typischerweise bewirbt sich eine Organisation nicht direkt für einen Ludwig-Erhard-Preis. Sie bewirbt sich typischerweise zunächst für eine niedrigere Auszeichnung, bekommt durch den Assessment-Prozess Rückmeldungen zu Verbesserungsmöglichkeiten, verbessert sich im folgenden Jahr, und nach einigen Jahren ist eine Organisation dann wirklich exzellent und kann sich für die höchste Stufe in der deutschen EFQM-Welt bewerben, eben den Ludwig-Erhard-Preis. Die kontinuierliche Verbesserung liegt also im Verfahren selbst verankert. Das Einzige, was zu dokumentieren ist, ist die Verbesserung selbst, also der Fortschritt, den eine Organisation macht. Der große Vorteil: Jede Organisation kann den Verbesserungsprozess so aufsetzen, wie es für diese Organisation in dieser Situation sinnvoll ist.

Das EFQM-Modell ist für Unternehmen entwickelt worden, wurde aber auch für gemeinnützige Organisationen erfolgreich angewendet. Speziell für öffentliche Verwaltungen wurde ein eingepasstes Modell entwickelt, das Common Assessment Framework (CAF).

Abb. 3: Das Common Assessment Framework (Bundesministerium des Innern und für Heimat)

Auch hier: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird nicht in einem Kriterium ausdrücklich gefordert. Der PDCA-Zyklus ist aber klar als Grundlage dargestellt (Planen-Umsetzen-Überprüfen-Weiterentwickeln) und als Basis, als „Lernen und Verbessern“ bezeichnet.

Wie eine Umsetzung aussehen könnte?

Qualitätsmanagement ist kein linearer Prozess. Juran hat ihn als aufsteigende Spirale dargestellt: Von der Marktforschung, die ermittelt, was Kunden benötigen, über Entwicklung und Produktion bis hin zum Marketing und Kundendienst, die direkt Rückmeldungen der Kunden aufnehmen, weiter zu einer neuen Runde.


Abb. 4: Spirale des Qualitätsfortschritts (Juran 1988, S. 2-5)


Die Grundstruktur einer Spirale findet sich auch in den Normen wieder, die einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess voraussetzen, hier beispielhaft die DIN 14001 für Umweltmanagementsysteme.

Abb. 5: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (DIN EN ISO 14001:2004 Praxiswissen Umweltmanagement S. 12)


Wenn also die Grundstruktur gleich ist, und die gängigen Modelle und Normen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess verlangen, dann werden alle Unternehmen mit einem gut funktionierenden Qualitätsmanagement auch einen effizienten kontinuierlichen Verbesserungsprozess betreiben. Oder etwa nicht?

In der Praxis wird die Intensität des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zwischen zwei Extremen liegen.

Das eine Extrem ist „kontinuierlicher Verbesserungsprozess nach Vorschrift“. Das heißt: Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess wird eingerichtet und dokumentiert. Er wird für so wenige Abteilungen und mit so wenigen Sitzungen durchgeführt, dass gerade noch von einem „durchgeführten kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ gesprochen werden kann. Nur wenige Mitarbeiter werden eingebunden. Selbstverständlich muss auch ein solcher kontinuierlicher Verbesserungsprozess Ergebnisse zeigen – auch wenn „zufällig“ gerade die Verbesserungen vorgeschlagen werden, die das Management ohnehin geplant hatte. Sprich: Ja, man kann einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess so aufsetzen, dass er den Vorgaben der ISO 9001 entspricht und dies auch im Audit bestätigt wird, der kontinuierliche Verbesserungsprozess aber ansonsten keine positiven Auswirkungen zeigt.

Im anderen Extrem etabliert ein Unternehmen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess nach allen Regeln der Kunst. Nach allen Regeln der Kunst bedeutet auch: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird möglicherweise nicht allein eingesetzt. Als Ergänzung zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess kann man an ein betriebliches Vorschlagswesen denken. Das kann eine gute Ergänzung sein, ist es aber nicht in jeder Situation.

Eine gute Ergänzung und ein Verwandter des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ist der Experten-KVP. Dies ist in der Grundstruktur ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, nur sind die Beteiligten nicht „normale“ Beschäftigte, die vielleicht 37 Stunden in der Woche Maschinen bedienen und eine Stunde Verbesserungen erarbeiten. Im Experten-KVP werden die Verbesserungen von Beschäftigten entwickelt, die ganz oder zu großen Teilen von ihrer vorherigen Tätigkeit freigestellt wurden und nun einen großen Teil ihrer Arbeitszeit Verbesserungen entwickeln.

Auch an aktuelle Methoden wie Sprints, Stakeholder Votings oder die Auswertung von Big Data ist zu denken – nicht für jedes Unternehmen in jeder Situation sinnvoll, aber in einigen Fällen durchaus effektiv. Für diesen Blogbeitrag wäre eine Auflistung aller möglichen Werkzeuge und Methoden zu umfangreich, hierfür gibt es ein eigenes Video: Ideenmanagement Methoden: 57 Werkzeuge und Methoden für das Ideenmanagement .

Exkurs: Qualitätszirkel

Beim Qualitätszirkel treffen sich die Beschäftigten aus einem Arbeitsbereich (Bediener einer Maschine, Projektmitarbeiter für einen Kunden, Kollegen aus einem Lager, …). Die Treffen finden regelmäßig statt, beispielsweise eine Stunde pro Woche. Die Gruppe diskutiert über Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung, besonders in Bereichen, in denen das Unternehmen wirklich einen Verbesserungsbedarf hat.

Die Grundstruktur des Qualitätszirkels ist also die gleiche wie die Grundstruktur des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Der einzige Unterschied liegt in der Fokussierung auf Qualität. Da aber „Qualität“ ein recht weiter Begriff ist und man fast alles im Unternehmen irgendwie mit Qualität in Verbindung bringen kann, finden sich auch Autoren, die Qualitätszirkel und kontinuierlichen Verbesserungsprozess gleichsetzen und beide Begriffe synonym verwenden.

Qualitätszirkel (und kontinuierlicher Verbesserungsprozess) helfen den Unternehmen auf zwei Wegen.

Das eine ist der direkte Weg: Die Arbeitsgruppen erarbeiten Vorschläge, die zu besserer Qualität, weniger Verschwendung und anderen Verbesserungen führen.

Das zweite sind indirekte Wege: Mitglieder der Arbeitsgruppen lernen, wie man Probleme löst und wie man gute Verbesserungsvorschläge erarbeitet. So kann man Qualitätszirkel und kontinuierlichen Verbesserungsprozess als Qualifizierungsmaßnahmen verstehen. Und die Mitglieder der Arbeitsgruppen verstehen, dass die Dinge im Unternehmen nicht von Beginn an ausgereift sind, dass manche Prozesse erst im zweiten oder dritten Schritt gut funktionieren, dass auch das Management Fehler macht und das ok ist – kurz: Viele Qualitätszirkel und viele Gruppen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses führen zwangsläufig zu einer Veränderung der Unternehmenskultur – und zwar zu einer Verbesserung der Unternehmenskultur.

Das sind starke Behauptungen. Stimmt das auch? Hierzu können wir schon eine Auswertung der Daten der Ideenmanagement Studie 2023 heranziehen. Für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess haben wir dies bereits in einem anderen Blogbeitrag getan („Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) – Kleine Schritte mit großer Wirkung“ ) Kurz das Ergebnis: Organisationen, die keinen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einsetzen, erwirtschaften im Ideenmanagement einen berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr von 159 Euro. Wenn eine Organisation den kontinuierlichen Verbesserungsprozess einsetzt, dann steigt dieser Nutzen auf 495 Euro. Auch Beteiligungs- und Realisierungsquote steigen.

Gerne würde ich hier einen solchen Nachweis auch für das Qualitätsmanagement liefern. Aber in der Datenerhebung für die kommende Ideenmanagement Studie haben wir diese Frage nicht gestellt, da haben wir keine Daten.

Wohl aber haben wir Daten für den Qualitätszirkel:

Abb. 6: Kennzahlen mit und ohne Qualitätszirkel (Quelle: Eigene Datenerhebung)


Die Kennzahlen sind leider nicht so schön, wie wir uns dies gewünscht hätten. Aber wenn Sie bis hierher gelesen haben, dann interessiert Sie das Thema offensichtlich wirklich, und dann vertragen Sie auch nicht ganz glattgebügelte Wahrheiten.

Der berechenbare Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr ist in Unternehmen mit Qualitätszirkel geringer als in Unternehmen, die keinen Qualitätszirkel einsetzen. Das ist enttäuschend – was könnte dieses Ergebnis verursacht haben? Die Demografie der Unternehmen ist es wohl nicht: Unternehmen mit Qualitätszirkel sind etwas größer, haben etwas weniger Arbeiter bzw. Blue Collar-Beschäftigte und ein etwas jüngeres Ideenmanagement – aber die Abweichungen sind eher gering. Auch die Anzahl der Organisationen ist unauffällig: 60 Organisationen haben angegeben, Qualitätszirkel zu betreiben. 63 Organisationen haben angegeben, keine Qualitätszirkel einzusetzen. Nur diese Organisationen werden in dieser Tabelle ausgewertet. Die anderen Organisationen, die die Frage zum Qualitätszirkel nicht beantwortet haben, gehen nicht in diese Auswertung ein.

Eine Begründung, eine Geschichte ist hier selbstverständlich zunächst Spekulation. Aber vielleicht ist es sinnvoll, die Dinge wort-wörtlich zu nehmen. Ein Qualitätszirkel befasst sich vor allem mit Qualitätsfragen. Diese können zu direkt berechenbarem Nutzen führen. Häufig ist aber die Wirkung von Qualität eine indirekte: Zufriedene Kunden kaufen mehr, zufriedene Kunden empfehlen uns eher weiter. Beides erhöht unseren Umsatz, unseren Deckungsbeitrag, unseren Gewinn. Aber diese Effekte können nicht direkt dem Ideenmanagement zugerechnet werden, entsprechend erscheinen sie nicht beim berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr.

Dies könnte auch der Grund dafür sein, dass sich der Nutzen pro realisierter Idee bei Organisationen mit Qualitätszirkel kaum von Organisationen unterscheidet, die keine Qualitätszirkel einsetzen. Bei Organisationen mit Qualitätszirkel ist der Durchschnitt des Nutzens pro umgesetzter Idee größer, der Median ist kleiner, aber die Werte liegen nicht sehr weit auseinander.

Die Beteiligungsquote ist in Organisationen mit Qualitätszirkel höher. Das ist keine Überraschung: Qualitätszirkel finden während der Arbeitszeit statt. Der Arbeitgeber kann den Beschäftigten mehr oder weniger nahelegen, sich am Qualitätszirkel zu beteiligen, er kann die Mitarbeit im Qualitätszirkel sogar anordnen. Ob dies klug ist, das ist eine andere Frage, aber es erhöht die Beteiligungsquote.

Bei der Realisierungsquote sehen wir nun endlich den vorhergesagten Effekt: Die Teilnahme an Qualitätszirkeln qualifiziert die Beschäftigten. Damit erwarten wir bessere Ideen und Verbesserungsvorschläge. Ein höherer Anteil an Vorschlägen sollte umgesetzt werden. Genau dies sehen wir auch.

Fazit

Entgegen den naiven Vorurteilen: Ja, kontinuierlicher Verbesserungsprozess und Qualitätsmanagement gehen reibungslos zusammen. Die Strukturen ähneln sich, alle populären Modelle des Qualitätsmanagements verlangen eine Art von kontinuierlichem Verbesserungsprozess. Allerdings sind zwei Punkte zu beachten, um die Potentiale hier vollständig zu heben:

  • Manchmal ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess allein nicht die optimale Ergänzung zum Qualitätsmanagement. Bei Überlegungen zu Ergänzungen sollten bewährte Ansätze (Vorschlagswesen, Innovationsmanagement, …) und neuere Entwicklungen (Sprints, Shareholder Votings, …) bedacht werden.
  • Qualitätsmanagement verbessert die Qualität. Nicht unbedingt auch die Ressourceneffizienz oder die Logistik. Entsprechend können reine Kostenbetrachtungen nicht das vollständige Bild geben, hierzu sind auch Qualitätskennzahlen heranzuziehen.

 

Ob KVP oder BVW: Mit Abkürzungen – und Qualität – im  Ideenmanagement kennen wir uns aus. Sie haben noch Fragen oder benötigen weitere Informationen zu diesen Themen? Wir stehen Ihnen gerne zur Seite, mailen Sie uns einfach: marketing@hype.de

 

Quellen:

Bundesministerium des Innern und für Heimat: Common Assessment Framework (CAF). https://www.verwaltung-innovativ.de/DE/Steuerung/Qualitaetsmanagement/caf/caf_node.html

DIN EN ISO 9001:2015 Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen

DIN EN ISO 14001:2004 Praxiswissen Umweltmanagement – Anforderungen und Hinweise https://www.qm-aktuell.de/wp-content/uploads/2016/05/iso14001_91156.pdf

EFQM: Das EFQM Modell. Zitiert wird die Auflage 2019, erhältlich unter https://www.ilep.de/wp-content/uploads/2020/12/EFQM_MODEL_-_German_-_Free.pdf

Joseph M. Juran: The Quality Function. https://www.juran.com/about-us/dr-jurans-history/#juran-trilogy

Vera Lampl: Die Kaizen Methode – die Kraft der kleinen Schritte: Sinnvoll einsetzen, aber wie? https://blog.hypeinnovation.com/ideenmanagement/kaizen