Sie sind erfolgreicher Gründer? Glückwunsch! Statistiken zufolge scheitern 90 Prozent der Startups spätestens nach 10 Jahren – und 10 Prozent überleben noch nicht mal das erste Jahr.
Die Gründe sind vielfältig, spiegeln aber das volatile und riskante Marktumfeld der Neugründungen sehr gut wider. Andererseits ist eine Lotterie mit einer “Gewinnquote“ von 10 Prozent keine schlechte Sache – wenn die “Lose“ nicht zu teuer sind. Genau hier setzt die Lean Startup-Methode an: Sie verfolgt einen schnellen, agilen, effizienten, also im Falle des Scheiterns verlustarmen Ansatz, den wir nachfolgend skizzieren möchten.
Eine klassische Unternehmensgründung bedeutet enorme Ressourcen für Planung, Forschung und Vorbereitung. In der Regel und setzt seinen Plan ohne große Änderungen um und geht von einem stabilen Marktumfeld aus. Die Crux: Der Prozess dauert nicht nur lange, sondern ist auch ziemlich teuer – gerade für kleine, aufstrebende Startups kaum rentabel. Eine schlankere Methode wie Lean Startup kann hier der bessere Weg sein.
Netflix, Dropbox und Airbnb sind bekannte Marken, die die Lean-Startup-Methode erfolgreich eingesetzt haben, um ihre Geschäftsmodelle zu überarbeiten. Die Schritte, die sie dabei unternommen haben, sind heute so verbreitet, dass wir oft vergessen, woher sie kommen und wie wichtig sie sind. Deshalb werden wir wie gewohnt mit einigen Definitionen beginnen.
Die Lean-Startup-Methode wurde Anfang der 2000er Jahre von dem Autor und Unternehmer Steve Blank durch seine Technik zur Ermittlung der Kundenbedürfnisse entwickelt. Sein verbraucherzentrierter Ansatz bezieht potenzielle Kunden sehr früh in die Entwicklung eines neuen Unternehmens mit ein. Es geht dabei nicht um disruptive Innovation, sondern darum, dem Verbraucher das zu geben, war er braucht – und diesem Bedürfnis optimal zu entsprechen.
Blank erkannte bestimmte Muster, als er über seine Zusammenarbeit mit mehreren Startups nachdachte. Er stellte fest, dass viele Startups isoliert arbeiten und viel Zeit und Ressourcen in vermeintlich perfekte Produkte investieren – in der Hoffnung, die Kunden kämen dann von allein. Das passierte allerdings selten. Daher schlug Blank einen neuen Ansatz vor. Sein Ziel: frühzeitig initiale Geschäftspläne und -ziele validieren – und so die Chancen erhöhen, ein Produkt zu entwickeln, das tatsächlich den Kundenwünschen entspricht.
Allzu oft lernen Unternehmer viel zu spät auf die harte Tour, dass Kunden die meisten Funktionen ihres Produkts weder brauchen noch wollen.
Nach Blanks Überzeugung werden viele Startups mit einer falschen Vision gegründet und können schon deshalb keinen Erfolg haben. Umso wichtiger, solche Fehler so früh wie möglich zu erkennen und zu korrigieren – bevor dem Startup das Geld ausgeht.
Diese Überzeugung bildete den Grundstein für eine neue Methodik und Bewegung – Lean Startup.
Der amerikanische Unternehmer, Blogger und Autor Eric Ries wurde stark von Steve Blanks Ideen beeinflusst. Er glaubte fest an agile Entwicklung und Lean Manufacturing und kombinierte die Kernprinzipien dieser Methoden, um einen neuen Ansatz für Startup-Gründungen zu entwickeln. Als Unternehmensberater und unabhängiger Berater von Startups hatte er genügend Gelegenheit, die Methodik in der Praxis zu verfeinern. Sein Wissen und seine Erfahrung mündeten schließlich in dem Bestseller The Lean Startup.
Ries: „Lean Startup ist eine frische Herangehensweise an die Entwicklung innovativer, neuer Produkte, bei der schnelle Iteration und Kundenfeedback, eine starke Vision und große Ambitionen im Vordergrund stehen; alles zur gleichen Zeit.“ Dieser systematische und wissenschaftliche Ansatz hilft beim Aufbau erfolgreicher Startups in einem unsicheren Umfeld mit Fokus auf Ressourcen und Effizienz – Kernprinzipien des von Toyota entwickelten Lean Manufacturing.
In seinem Buch liefert Ries folgende Definition für ein Startup: Es handelt sich um eine menschliche Institution, die unter Bedingungen extremer Unsicherheit etwas Neues schaffen soll. Ganz egal, in welcher Branche oder in welchem Sektor Sie tätig sind: Solange Sie ein neues Unternehmen gründen und nicht genau wissen, was Sie tun – sind Sie ein Unternehmer.
Eric Ries, ein Software-Ingenieur, schätzte bei seiner Arbeit immer einen wissenschaftlichen, kalkulierbaren und messbaren Ansatz. Auch die von ihm entwickelten Kernprinzipien des Lean Startup basieren darauf.
Ries sagt: Bei Unsicherheiten wie im Startup-Umfeld ist es sinnvoll, auf einen vollständigen Businessplans zu verzichten. Stattdessen schlägt Lean Startup vor, seine Kernpunkte in eine Reihe von Hypothesen zu zerlegen, die sogenannten Leap-of-Faith-Annahmen – was muss wahr sein, damit dies hier eine gute Idee ist?
Diese Hypothesen gilt es bei Lean Startup dann schnellstmöglich wissenschaftlich (nicht akademisch) und empirisch zu testen und zu validieren. Indem Sie ein Minimum Viable Product (MVP) entwickeln und es einer Gruppe potenzieller Kunden zur Begutachtung vorlegen, können Sie schnell herausfinden, ob Ihre Annahmen wahr oder falsch sind.
Es ist ein Experiment, das zeigen soll, ob die ursprünglichen Annahmen richtig oder falsch sind. Wenn sie stimmen, kann das Startup seinen Kurs halten, das Produkt weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht werden. Sind sie aber falsch, ist es Zeit für eine Neuausrichtung.
Wenn Sie gerade zum ersten Mal etwas über Lean Startup lesen, mag sich das alles etwas kompliziert anhören, aber im Grunde ist das der Kern des Konzepts.
Herzstück der Lean-Startup-Methode ist eine Feedbackschleife: Build-Measure-Learn bzw. Bauen-Messen-Lernen.
Und so erklärt Eric Ries diesen Kreislauf in seinem Buch: „Startups verwandeln Ideen in Produkte. Während Kunden mit ihnen interagieren, generieren sie Feedback und Daten, sowohl qualitativ (was gefällt, was nicht) als auch quantitativ (wie viele Menschen nutzen/schätzen es). Produkte, die ein Startup entwickelt, sind Experimente; und das Ergebnis dieser Experimente ist die Erkenntnis, wie man ein nachhaltiges Unternehmen aufbaut.“ Der Zyklus beginnt mit einer Idee, dann werden Tests durchgeführt, Reaktionen analysiert und neue Erkenntnisse gewonnen (Build, Measure, Learn).
Der wissenschaftliche Ansatz zum Testen von Annahmen wird als validiertes Lernen bezeichnet. Ries bezeichnet in seinem Buch validiertes Lernen als “eine Fortschrittseinheit für ein Lean Startup“. Es handelt sich um einen agilen Prozess, bei dem Geschäftsannahmen systematisch getestet, aus den Testergebnissen gelernt und die Daten zur Verbesserung der Entscheidungsfindung genutzt werden, wodurch die Chance der Marktgängigkeit erhöht wird. Durch regelmäßige Tests können Unternehmen feststellen, ob ihre Annahmen gültig und eine Investition wert sind. Aussichtlose Ideen können schnell verworfen werden.
Lean Startup wird oft als Fail-Fast-Ansatz (schnelles Scheitern) bezeichnet. Die Ursprünge dieses Ansatzes liegen im Lean Manufacturing, das auf Abfallreduzierung abzielt. Beim Lean Startup hilft schnelles Scheitern, Verluste zu minimieren, indem der Zeit- und Ressourcenverbrauch reduziert wird.
Das heißt natürlich nicht, dass jedes Produkt (oder jede Dienstleistung) ein Flop sein muss. Aber angesichts der eingangs erwähnten Statistiken (zum frühen Startup-Sterben) ist es besser, früher als später zu scheitern. So haben Sie genügend Zeit, um zu lernen, sich zu erholen und neu auszurichten (dazu später mehr).
Nach Ansicht von Ries ist das Minimum Viable Product (MVP) der beste Weg. MVP ist ein beliebtes, aber auch verhasstes Konzept zur Erstellung einer “Version des Produkts, dass eine vollständige Build-Measure-Learn-Schleife mit minimalem Aufwand und kürzester Entwicklungszeit durchlaufen hat“.
Dieses “Minimum“ ist kontextspezifisch. Um zu vermeiden, dass Sie Ihren potenziellen Kunden einen Prototypen präsentieren, der ihnen nicht gefällt, ist es wichtig, die Mindestanforderungen für Ihr Produkt sorgfältig zu definieren.
MVP bedeutet nicht, eine billige, qualitativ minderwertige Version Ihres Produkts zu erstellen. Stattdessen sollte es die Kernfunktionen und relevante Botschaften effektiv vermitteln. Dann folgt die Markterprobung.
MVP bedeutet nicht, eine billige, qualitativ minderwertige Version Ihres Produkts zu erstellen. Stattdessen sollte es die Kernfunktionen und relevante Botschaften effektiv vermitteln.
Beim Testen von Funktionen mit Kunden geht es um Effizienz. Klar – ständige Tests unterbrechen den Ablauf und kosten viel Zeit. Trotzdem ist es effizienter als die Entwicklung einer finalen Version, die dem Kunden nicht gefällt. Deshalb wird das MVP sofort nach Fertigstellung mit realen Kunden getestet.
Ob in einer Laborumgebung oder in der realen Welt, im Großen oder Kleinen – es kommt auf das Produkt oder den Service an, der entwickelt wird. Letztlich hilft ein MVP dabei, festzustellen, ob das Angebot den Bedürfnissen (oder Wünschen) des Zielmarktes entspricht, aufwändige Nachbesserungen zu vermeiden, beliebte Funktionen & Eigenschaften zu schärfen und Überflüssiges zu entfernen.
Es geht darum, Ihre Hypothesen schnell zu validieren: Machen wir gute Fortschritte (die unsere Annahme stützen) oder müssen wir konsequent umdenken? Fällt der Test positiv aus, lohnt es sich, weiterzumachen – im Lean Startup „den Kurs halten“. Andernfalls sollte eine strukturierte Kurskorrektur erfolgen – ein Pivot. Er dient dazu, „eine neue Hypothese über das Produkt, die Strategie und die Entwicklungsrichtung zu testen".
Statt strikt am ursprünglichen Plan festzuhalten, ermöglicht ein Pivot dem Startup, seinen Ansatz auf Basis von Feedback und Daten aus der Praxis anzupassen und zu verfeinern. Ein Pivot kann eine grundlegende Umkehr, aber auch eine feine (aber für das Produkt bedeutsame) Kurskorrektur bedeuten.
Das sind die Kernelemente des Lean Startups. Kurzum, die Build-Measure-Learn-Schleife besteht aus folgenden Phasen: Entwicklung eines MVP – Durchführen von Tests – Befragen potenzieller Kunden – Feedbackprüfung – daraus Lernen – und schließlich Entscheidung, ob man auf dem aktuellen Weg bleibt, oder den Kurs korrigiert. In jedem Fall wiederholt sich dieser Zyklus (im Lean-Stil) während der gesamten Launchphase des Startups.
Steve Jobs hat einmal gesagt: „Meistens wissen die Leute nicht, was sie wollen, bis man es ihnen zeigt.“ Wohl wahr! Viele Produkte und Technologien, die für uns heute völlig normal sind, wurden zunächst mit Skepsis aufgenommen. Würde jedes Startup blind dem Lean Startup folgen, gäbe es keinerlei disruptive Innovation – und das wäre eine trostlose Welt. Es ist eben nicht alles Gold, was glänzt. Deshalb werfen wir jetzt einen Blick auf kritische Stimmen und Mängel der Methode.
Nach Eric Ries ist es kontraproduktiv, zu viel Zeit mit einem ausgefeilten Businessplan zu vergeuden: Lohnt es sich, wochenlang in einen Plan für ein Produkt zu investieren, das niemand haben will? Die Befürworter des Lean Startup empfehlen stattdessen den Business Model Canvas (BMC), der Ihnen einen Überblick verschafft, die wesentliche Ziele des Unternehmens skizziert und ein klares Endziel darstellt. Was der Canvas jedoch nicht erfasst, ist der Weg zum Ziel.
Kritiker der Methode behaupten, dass die Lean Startup planlose Hektik hervorruft: neun Kästchen mit ein paar Aufzählungspunkten ausfüllen (Canvas), ein simples Produkt (MVP) erstellen und es den Leuten scheinbar ohne Sinn und Verstand vor die Füße werfen. Das muss doch scheitern!
In Wahrheit ist es nicht die Schuld des Lean Startup. Jede blind befolgte Methode verzerrt die Realität und führt zu unerwünschten Ergebnissen. Eric Ries schlägt zwar vor, weniger zu planen, doch er lehnt die Idee eines Businessplans ja nicht generell ab. Im Gegenteil – schließlich ist er die Quelle für Ihre Hypothesen.
Ein Tipp: Kombinieren Sie die besten Teile des Business Model Canvas (BMC) und eines Businessplans. So schaffen Sie einen flexiblen, informativen und anpassungsfähigen Rahmen, der die klare Visualisierung des Canvas mit der detaillierten Analyse des Businessplans vereint. Sie müssen nicht sofort mit einem MVP beginnen, ohne die nächsten Schritte zu planen. Aber Sie müssen auch nicht endlos an einer langfristigen Roadmap arbeiten.
Scheitere früh, aber nicht zu früh? Fail-Fast hatten wir ja schon erwähnt. Zwar ist die schnellstmögliche Bereitstellung eines MVP ein zentraler Punkt des Lean Startup, aber im Extremfall kann es auch dazu führen, dass großartige Ideen viel zu früh verworfen werden.
Das MVP ist ein erster Prototyp des Produkts, das Sie verkaufen möchten – vor jeglicher Iteration. Es ist nicht perfekt, es ist fehleranfällig, es kann durchfallen. Das macht Ihre Idee aber nicht per se schlecht. Die ersten Feedbacks zu einem MVP erlauben noch keine Einschätzung des Endprodukts.
Das Feedback könnte sich auf die Gebrauchstauglichkeit des MVP selbst beziehen, nicht auf das finale Produkt. Daher ist es gut, die MVP-Entwicklung mit Blick auf Ihre Ziele als Unternehmer anzugehen und nicht „nach Vorschrift“ durchzuführen. Während der gesamten Produktentwicklung sind Iterationen die Regel. Ihr MVP und das Kundenfeedback sind ein Anhaltspunkt dafür, wie das Produkt sukzessive verbessert werden kann. Das MVP dient also der Validierung von Hypothesen – und nicht der Diskreditierung Ihrer Vision.
Klar – das Lean Startup ist ideal für Startups, die erst einmal versuchen, Fuß zu fassen, für solche, die wenig Erfahrung haben oder über begrenzte Finanzmittel verfügen, oder für jene, die Feedback brauchen, um ihre Vision und ihre Ziele zu perfektionieren. Nutzen kann es aber auch anderen.
Für Frank Mattes, Autor von Lean Scaleup und Experte für Unternehmensentwicklung, ist der Weg, um festzustellen, ob ein Startup eine echte Chance hat, „die Kunst der Validierung und die Kunst des Tötens im Unternehmenskontext. Man muss ein Experiment nach dem anderen durchführen und die Ergebnisse akribisch analysieren. Jede Prüfung sollte die Nutzer, das Produkt, die Technologie, die rechtliche Situation und den Unternehmenskontext berücksichtigen.“ Und dabei kommen die Prinzipien von Lean Startup zum Einsatz.
Der Weg, um festzustellen, ob ein Startup eine echte Chance hat, ist „die Kunst der Validierung und die Kunst des Tötens im Unternehmenskontext. Man muss ein Experiment nach dem anderen durchführen und die Ergebnisse akribisch analysieren.
Der Wettbewerb ist hart und ein “business as usual“ nicht empfehlenswert. Es gibt viele Beispiele von Unternehmen und Marktführern (Kodak, Commodore, Nokia usw.), die es versäumt haben, innovative Ideen zu fördern und neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Die Anwendung der agilen Grundsätze des Lean Startup, der MVPs, der Kundenorientierung und der kontinuierlichen Verbesserung ermöglicht es Unternehmen, in kleinen Schritten Annahmen zu überprüfen und gleichzeitig genügend Zeit für notwendige Veränderungen zu schaffen. Das Lean Startup sollte nicht als Anleitung für etablierte Unternehmen verstanden werden, aber die Elemente haben sich in Kombination mit anderen Frameworks durchaus bewährt.
Jetzt haben Sie eine Menge gehört über die Lean-Startup-Methode – was nehmen wir mit?
Es klingt vielleicht langweilig, aber die Lean-Startup-Reise beginnt wie die traditionelle Unternehmensgründung auch – mit Hausaufgaben: Marktforschung, Verstehen bzw. Klären der Rechts- und Compliance-Fragen, Erstellen des Businessplans. Nur weil die Lean-Startup-Schleife im MVP mündet, bedeutet das nicht, dass an allen Ecken und Enden gespart wird, sondern nur, dass Zeit und Ressourcen schonend eingesetzt werden.
Mit einem starken Fokus auf Kundenvalidierung ist es ein primär kundenorientierter Ansatz, der wahrscheinlich nicht zu einer bahnbrechenden und disruptiven Innovation führen wird, aber dabei hilft, ein Produkt zu schaffen, das Kundenbedürfnisse befriedigt. Er hilft, schnell zu handeln, Hypothesen früh zu testen und zu iterieren, um eine ideale Version eines Produkts zu schaffen, das von der Zielgruppe auch begeistert angenommen wird.
Um sicherzustellen, dass die Stimme Ihrer Kunden wirklich gehört und ihre wertvollen Ideen registriert werden, sollten Sie den Einsatz einer vielseitigen digitalen Plattform in Betracht ziehen. Damit können Sie Feedback sammeln und auswerten, es umsetzen und den Überblick über die Prozesse Ihrer Lernphase behalten.
Hinweis: Zitate in Anführungszeichen ohne Quellenangabe sind dem Buch „The Lean Startup“ von Eric Ries entnommen.