Hohe Prämien – gleichbedeutend mit hoher Mitarbeitermotivation und mehr Erfolg im Ideenmanagement? So einfach ist es nicht. Klassische Prämienmodelle, die meist nur auf geldwerte Vorteile setzen, sind nicht mehr zeitgemäß. Der Bedarf an flexiblen, fairen Anreizsystemen, die alle Beteiligten motivieren und zugleich Mehrwert für Unternehmen generieren, wächst. Doch welche neuen Modelle könnten sich durchsetzen? Dieser Beitrag bietet einen guten Überblick.
Prämien sollen zur Teilnahme am Ideenmanagement motivieren und wertvolle Ideen bzw. Beiträge zum Unternehmenserfolg belohnen.
In der Organisations- und Motivationstheorie unterscheidet man extrinsische und intrinsische Motivation. Extrinsische Motivatoren sind äußere Anreize, die auf materielle Belohnungen, z.B. geldwerte Prämien, setzen. Im Ideenmanagement werden Mitarbeitende beispielsweise durch materielle Belohnungen zur Ideenentwicklung motiviert. Intrinsische Motivation zielt hingegen darauf ab, dass Mitarbeitende aus eigenem Antrieb Ideen entwickeln, weil sie Freude an der Aufgabe haben und sich persönlich erfüllt fühlen. Beispiele sind Anerkennung, Wertschätzung und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Moderne Ansätze zur Prämierung sollten also beides vereinen.
Klassische Prämienmodelle zielen eher auf äußere Anreize bzw. extrinsische Motivation ab und incentivieren in der Regel über Geld und Sachwerte. Laut Ideenmanagement-Studie 2023 arbeitet nach wie vor die große Mehrheit aller Organisationen (86%) mit dieser Prämienform. Konkret setzen über 80 Prozent objektbezogene Geldprämien ein, d.h. der Nutzen einer Idee wird prämiert.
Die Prämierung von Ideen, der Klassiker, überzeugt durch klare Bewertungsgrundlagen, Transparenz und einfache Implementierung. Dem stehen hohe Prozesskomplexität und Kosten gegenüber. Und es besteht die Gefahr, dass die Prämie im Vordergrund steht, nicht der Nutzen einer Idee. Es ist ein einseitiger Ansatz; oft wird nur der Einreicher belohnt, andere Stakeholder bleiben unberücksichtigt.
Dann gibt es die Prämierung von Verhalten: Sie belohnt gewünschtes Verhalten, das zur Ideenfindung und -umsetzung führt. Dieser Ansatz ist flexibel, transparent und lässt sich gut in andere Prozesse integrieren, wodurch alle Beteiligten einbezogen werden können. Er ist allerdings noch relativ wenig verbreitet; breite Erfahrungswerte fehlen.
Das Punktemodell ist eine Möglichkeit zur verhaltensbezogenen Incentivierung. Es zielt darauf ab, kurze Durchlaufzeiten sowie hohe Beteiligungs- und Umsetzungsquoten zu erreichen. Punkte werden für verschiedene Faktoren in drei Hauptkategorien vergeben:
1. Geschwindigkeit (Zielparameter: Kurze Durchlaufzeiten)
Punkte werden für die schnelle Bearbeitung und Umsetzung von Ideen vergeben, um kurze Durchlaufzeiten zu fördern (z.B. Bearbeiter bei Entscheidung über eine Idee / bei Begutachtung / Umsetzung einer Idee X Tage vor Zieldatum)
2. Akzeptanz und Kulturwandel (Zielparameter: Hohe Beteiligungsquoten)
Punkte werden an Mitarbeitende vergeben, die regelmäßig Ideen einreichen, und an Führungskräfte, deren Teams überdurchschnittliche Beteiligungsquoten einfahren (z.B. Punkte für jeden Mitarbeitenden, der eine erste Idee eingereicht hat)
3. Qualität (Zielparameter: Hohe Realisierungsquoten)
Hier werden Punkte vergeben für z.B. jede angenommene und umgesetzte Idee. Punkte gibt es auch für Beschäftigte, deren erste Idee umgesetzt wird, und Führungskräfte mit hohen Realisierungsquoten (d.h. jede Führungskraft, deren Organisationseinheit pro Halbjahr eine Realisierungsquote über dem Durchschnitt erzielt).
Darüber hinaus können Punkte auch für besondere Leistungen vergeben werden, beispielsweise hervorragende Ausbildungsergebnisse, lange Betriebszugehörigkeit oder kollegiale Unterstützung innerhalb der Belegschaft.
Vorteile des Punktemodells:
Abb. 1 bietet eine kompakte Übersicht über klassische Prämien- und Anreizsysteme im Ideenmanagement (inkl. Punktevergabe).
Abb. 1: Klassische Prämien- und Anreizmodelle im Überblick (Quelle: HYPE)
Hört sich doch alles prima an. Was ist denn überhaupt das Problem?
In der Theorie klingt das alles wunderbar, aber die Praxis sieht anders aus. Fakt ist: Der Druck auf Organisationen wächst und die Herausforderungen sind enorm. Bei den Beschäftigten, besonders in produzierenden Organisationen, ist das Ideenmanagement zwar stark vertreten, nicht aber im mittleren Management und im internationalen Kontext. Der konkrete Beitrag des Ideenmanagements zum Unternehmenserfolg ist oft nicht ausreichend sichtbar, was wiederum zu geringerer Motivation und Akzeptanz der Belegschaft führen kann. Auch besteht die Gefahr, dass das Ideenmanagement intern durch andere Prozesse, Methoden oder Ansätze (z.B. das Innovationsmanagement, KVP) kannibalisiert wird. All diese Faktoren können den Negativ-Trend bei der Beteiligung und dem Engagement verstärken.
Abb. 2: (Miss)Erfolgsfaktoren im Ideenmanagement (Quelle: HYPE)
Laut Studie 2023 ist die Prämierung – wie das Thema komplexe Prozesse – einer der Showstopper im Ideenmanagement. Ein negativer Zusammenhang zwischen der Höhe des Prämiensatzes und der Beteiligungsquote ist erkennbar. Heißt im Klartext: höhere Prämiensätze gleich niedrigere Beteiligungsquote. Zudem gibt es keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Prämienhöhe und der Realisierungsquote oder dem berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr. Eine Fokussierung auf die Prämienhöhe allein reicht also nicht aus.
Ein wertschätzender Umgang mit allen Beteiligten im Prozess – mit Ideengebern und Gutachtern bzw. Experten sowie untereinander – gilt hingegen als Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Ideenmanagement. In einem Ideenmanagement mit stark ausgeprägter Wertschätzung bestehen deutlich positive Zusammenhänge zwischen der Beteiligungsquote und dem berechenbaren Nutzen pro Mitarbeiter und Jahr.
Et voilà, da sind sie wieder, die Begriffe – extrinsische vs. intrinsische Motivation.
Siemens
Im Ideenmanagement von Siemens fährt man zweigleisig und setzt auf monetäre und nicht-monetäre Wertschätzung. So werden beispielsweise Ideen mit kleinerem Nutzen prozentual höher prämiert. Die Prämiensystematik insgesamt wird stetig optimiert. Dazu zählt auch der Ausbau des Sachprämienshops, in dem die Beschäftigten ihre Prämien in mehreren Hundert verschiedenen Shops einlösen können.
Nicht-monetäre Anerkennung erfolgt durch persönliche Übergabe von Prämierungsurkunden, lokale Veranstaltungen wie Fußballturniere und besondere Auszeichnungen wie Besuche in der Allianz Arena.
Extratipp: Wertschätzung lässt sich auch mit Anerkennungsprämien ausdrücken, d.h. Prämien für Ideen, die nicht umgesetzt werden. Oder überlegen Sie, ob sich Geldprämien nicht auch in Aktien oder Altersvorsorgeleistungen umwandeln lassen können.
Abb. 3: Prämiensystem bei Generali Deutschland (Quelle: HYPE)
Generali
Auch bei der Generali Deutschland AG wird Wertschätzung und Anerkennung im Ideenmanagement großgeschrieben. Der monetäre Nutzen ist wichtig, steht aber nicht an erster Stelle. Die Prämienregelung ist fair, einfach und verständlich, bietet mehrere Prämierungsmöglichkeiten und besondere Preise an. Die Basisprämie kann durch verschiedene Boni ergänzt werden (s. Abb. 2) – je nachdem, ob die jeweilige Idee in mehreren Vertriebswegen genutzt werden kann, schnell realisierbar ist, einen direkten Lösungsweg aufzeigt, strategische Elemente unterstützt oder besonders innovativ ist.
Ein weiterer innovativer Ansatz ist die Möglichkeit, Prämien zu spenden, etwa an die von Generali gegründete Stiftung The Human Safety Net (THSN). Diese globale Initiative unterstützt weltweit benachteiligte Menschen dabei, ihre Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben zu verbessern. Zudem kann jeder Mitarbeitende in Deutschland einen Arbeitstag im Jahr für Freiwilligenarbeit zugunsten von THSN nutzen.
Für unsere schnelle VUCA-Welt eignen sich also moderne Anreizsysteme besser, die auf persönliche Anerkennung abzielen und sowohl die intrinsische als auch extrinsische Motivation fördern. Sie gehen auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten ein, stärken die Teamdynamik und berücksichtigen immaterielle Werte wie Wertschätzung und Respekt.
Alternative Belohnungssysteme im Ideenmanagement punkten unter anderem mit erhöhter Flexibilität, Motivation, Fairness und Objektivität. Ihr inklusiver Ansatz – die Einbindung aller Stakeholder, ob Gutachter, Experten, Führungskräfte oder Realisierer, kann die Akzeptanz, Motivation und nachhaltiges Engagement zusätzlich steigern.
Die zentralen Benefits im Überblick:
Wir stellen Ihnen hier drei spannende Ansätze vor, die diese Kriterien in sich vereinen: das Topfmodell, die normierte Nutzenbewertung und Peer-to-Peer Incentives.
Das Topfmodell ist ein innovatives Prämierungskonzept, bei dem ein fixes jährliches Budget für Prämien festgelegt und vollständig ausgeschüttet wird. Die Budgethöhe wird jährlich im Zielvereinbarungsprozess festgelegt, basierend auf der Zielerreichung des Vorjahres. Für jede umgesetzte Idee oder auch zielführendes Verhalten erhalten die Beschäftigten Punkte. Der Wert der Punkte wird am Ende einer festgelegten Periode ermittelt und kann in Geld, Urlaub oder andere Vorteile umgewandelt werden.
Die Vorteile des Topfmodells im Überblick:
Mit der Einführung eines Topfmodells reduzieren Sie nicht nur die Komplexität der Ideenbewertung und Bearbeitungszeit, sondern sparen auch Kosten. On top lässt sich das Modell flexibel auf andere Prozesse wie das Innovationsmanagement oder kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) übertragen.
Die normierte Nutzenbewertung zielt darauf ab, die Bewertung und Prämierung von Ideen objektiver und fairer zu gestalten. Dabei werden Ideen nach ihrem Beitrag zu Unternehmenszielen oder Strategien bewertet.
Der Nutzen wird durch Punkte (z.B. Nutzenpunkte, Ideenpunkte, Inno Points) quantifiziert und dient als Basis für Prämien und Anreize. Zusätzlich können Ideen-Meilen je nach Zielkriterien wie Durchlaufzeiten oder Beteiligung vergeben werden. Diese Ideen-Meilen haben einen festen oder dynamischen monetären Wert und sind in speziellen Systemen (z.B. Club-Konzepten) einsetzbar. Die Bewertung erfolgt in klar definierten und quantifizierbaren Nutzendimensionen (gering, mittel, hoch, überragend), und bildet die Basis für Zielvereinbarungen und Vergleiche. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, wenn das Modell einmal steht.
Die Vorteile der normierten Nutzenbewertung im Überblick:
Dieses Modell schafft ein strukturiertes, transparentes und flexibles System zur Bewertung und Belohnung von Ideen, das sowohl strategische Ziele unterstützt als auch individuelle Leistungen anerkennt.
Abb. 5: Normierte Nutzenbewertung – transparent, fair und flexibel (Quelle: HYPE)
Peer-to-Peer (P2P) Incentives bzw. Prämien fördern die Anerkennung und Motivation innerhalb von Teams. Im Gegensatz zu klassischen Prämienmodellen, die von der Organisation zentral vergeben werden, bieten sie Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich gegenseitig für besondere Leistungen, hilfreiches Verhalten oder außergewöhnliche Beiträge zu belohnen. Die Prämierung kann in Form von Geld, Punkten, Ranglisten etc. erfolgen und so ein bestehendes Prämiensystem ergänzen oder ersetzen. Eine weitere Besonderheit: Hier werden wirklich alle Stakeholder angesprochen – sowohl Einreicher, Gutachter, Realisierer, Führungskräfte, Ideenmanager als auch User können P2P-Prämien erhalten und vergeben.
Die Vorteile von Peer-to-Peer Incentives im Überblick:
Diese Form der Prämierung steigert die Beteiligung und Attraktivität des Ideenmanagements, da die Mitarbeitenden direkt motiviert werden, sich aktiver einzubringen und ihre Kollegen zu unterstützen. Innerhalb der Organisation können auch Fürsprecher identifiziert werden, die das Modell aktiv fördern.
Abb. 6: Peer-to-Peer-Prämierung – Anerkennung für Kollegen (Quelle: HYPE)
Sie sehen, es gibt attraktive und flexible Alternativen zur traditionellen Prämierung im Ideenmanagement. Die vorgestellten Modelle bieten vielfältige Möglichkeiten, die Motivation und Beteiligung der Belegschaft zu steigern. Diese neuen Wege der Prämierung können dazu beitragen, eine Kultur der Wertschätzung, des gegenseitigen Respekts und der kontinuierlichen Verbesserung im Unternehmen zu etablieren. Die technische Basis dafür schaffen intelligente Plattformen für Ideenmanagement wie HYPE Improve. Es ist an der Zeit, die traditionellen Prämienmodelle zu überdenken und den Weg zu ebnen für flexible, faire und nachhaltige Anreizsysteme, finden Sie nicht?
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag von Nils Landmann, der im Rahmen des Deutschen Ideenmanagement-Forums 2024 in Köln gehalten wurde.