In Zeiten von erhöhten Sparzwängen gerät das Ideenmanagement mancherorts in Gefahr, eher als Kostenfaktor denn als Nutzenbringer betrachtet zu werden. In früheren Blogbeiträgen bin ich bereits auf verschiedene Nutzenaspekte des Ideenmanagements eingegangen – diese und weitere stelle ich nun im Sinne einer Argumentationshilfe zusammen.

Antworten auf Fragen einer neuen Unternehmensleitung

Stellen Sie sich vor, in Ihrem Unternehmen tritt ein neuer Geschäftsführer oder Vorstand an. Er kommt aus einem fernen anderen Land, in dem man kein Ideenmanagement kennt. Sie haben demnächst Ihren ersten Termin, um ihm zu erklären, warum das Unternehmen auch weiterhin ein Ideenmanagement benötigt und welche Vorteile es bietet.

Als Erstes könnte der neue Chef danach fragen, ob es in Deutschland vorgeschrieben ist, ein Ideenmanagement zu haben – ob man das machen muss. Darauf lässt sich nur antworten: Nein, das muss man nicht. Weder gibt es ein „Muss“ für Mitarbeiter (wie bereits im Blogbeitrag vom 27.01.2021 erwähnt), noch gibt es eine Verpflichtung für Unternehmen. Selbst wenn Betriebsvereinbarungen bestehen und nach einer Kündigung nachwirken, gibt es genügend Möglichkeiten, das Ideenmanagement sang- und klanglos einschlafen zu lassen. Nichts und niemand zwingt einen, es aktiv zu betreiben.

Die nächste Frage könnte lauten: „Was passiert, wenn wir das abschaffen?“ Hier gibt es eine sehr eindeutige Antwort: Es würden (mindestens) zwei Dinge geschehen:

1. Erstens würden dezentrale Insellösungen entstehen und vergehen – nun aber ohne Unterstützung durch das Erfahrungswissen, Kompetenz und Tools einer zentralen Stelle. Dadurch wächst das Risiko von Wildwuchs, Mehrfacharbeit und wiederholtem Know-how-Verlust.

2. Zweitens entginge etwa die Hälfte des bislang erzielten errechneten Nutzens – zumindest würden die vorhandenen Einsparpotentiale durch systematische Methoden (z.B. KVP / CIP, Ratio- und Six Sigma Projekte) nicht in den nächsten 12 Monaten gefunden werden (siehe Blogbeitrag „Die drei Prinzen von Serendip – oder: Vom Zufall der guten Einfälle“ vom 14.01.2021). Wenn ein Ideenmanagement erst einmal abgeschafft wurde, lässt es sich nicht ohne weiteres durch KVP oder andere Programme ersetzen. Dieser Verlust beträfe übrigens nicht nur die finanzielle Seite. Es gibt auch viele (nicht-rechenbare) Vorschläge wie den, der erst im Rahmen einer Ideenmanagement-Kampagne von einem Mitarbeiter eingereicht wurde und auf die Beseitigung einer gefährlichen Absturzstelle zielte, die über Jahre hinweg bei keiner systematischen Begehung durch „Experten“ aufgefallen war.

Welche „positiven Nebenwirkungen“ sonst noch „mit dem Bade ausgeschüttet“ würden, ergibt sich aus den untenstehenden Abschnitten zu den direkten und indirekten Nutzeffekten.

Eine mögliche dritte Frage „Warum bezahlen wir Prämien?“ betrifft Grundsätze der Motivation und der Gestaltung von Vergütungs- und Leistungssystemen. Meine Meinung dazu ist, dass Prämien kein Wesensmerkmal von Ideenmanagement sein müssen. Man könnte es auch beim grundsätzlichen Prämienanspruch belassen, der gemäß § 242 BGB für vom Arbeitgeber verwertete Sonderleistungen sogar für Verbesserungsvorschläge greift, die in einem Unternehmen ohne institutionalisiertes Ideenmanagement von Arbeitnehmern eingereicht werden (siehe Seiten 6f und 66ff in der Publikation „Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Ideenmanagements in Deutschland“ von Peter Koblank). Die oft fast automatische Verbindung von „Ideenmanagement“ mit „Prämiensystemen“ bringt für das Ideenmanagement auch viele Hemmnisse und Nachteile mit sich. Wie ein „Ideenmanagement ohne Extra-Prämien“ in der Praxis aussehen kann, zeigte das Beispiel im Blogbeitrag vom 14.04.2021. Zentral sind dagegen Anerkennung und Wertschätzung, die in einer zum jeweiligen Unternehmen passenden Form gestaltet werden müssen – hierauf sind wir im Beitrag zum „Erfolgsfaktor 6/9 – Commitment: Anerkennung“ vom 12.05.2021 eingegangen.

Nicht zuletzt wird es eine Frage nach der „Höhe von Kosten und Nutzen“ geben. Zwar lässt sich die Frage nach den Kosten nur unternehmensspezifisch beantworten, gleichwohl wurden erste Ansätze für Antworten bereits in den Blogbeiträgen „Erfolgsfaktor 4/9 – Commitment: Promotion“ vom 27.01.2021 und „Erfolgsfaktor 7/9 – Ressourcen: Ausstattung“ vom 23.06.2021 skizziert.

Für die Beschreibung des Nutzens unterscheide ich zwischen zwei Arten von Nutzeffekten, die ein Ideenmanagement haben kann: „direkten“ und „indirekten“. Damit knüpfe ich an den Blogbeitrag vom 02.01.2020 an, in dem ich mich mit den verschiedenen Ziel- und Erfolgsdimensionen im Ideenmanagement auseinandergesetzt hatte.

  • Direkte Nutzeffekte“ sind für mich alle Verbesserungen, die sich aus der Umsetzung von Vorschlägen ergeben – also die finanziellen Vorteile aus errechneten Einsparungen oder Zusatzgewinnen sowie die vielfältigen Vorteile aus der Umsetzung nicht rechenbarer Vorschläge.
  • Indirekte Nutzeffekte“ sind für mich alle Vorteile, die sich aus dem Vorhandensein des Ideenmanagements als solchem ergeben – dazu zählen etwa die Stärkung einer Kultur des Mitdenkens und der Beteiligung sowie eine ganze Reihe weiterer positiver Nebenwirkungen.

Betonen möchte ich, dass ein Ideenmanagement diese Nutzeffekte haben kann – aber noch lange nicht in jedem Fall hat! Ein zu starker Fokus auf einzelne Nutzenaspekte (meist finanzielle Vorteile) kann dazu führen, dass andere Nutzenmöglichkeiten nicht wahrgenommen werden.

Ebenso schädlich ist es, wenn man die positiven Nebeneffekte zur Hauptsache erklärt. Wer hauptsächlich davon redet, dass Ideenmanagement heute weit mehr als BVW und KVP sei, läuft Gefahr, den eigentlichen Kern des Ideenmanagements aus den Augen zu verlieren: nämlich, sich um Verbesserungsvorschläge und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu kümmern. Ideenmanagement als hilfreich für (fast) alles zu erklären, führt dazu, dass man am Ende für jeden kaum mehr als nichts hat. Auf die Unterschiede zwischen einem „engeren“ und „weiteren“ Sinn, in dem Ideenmanagement und KVP jeweils zu verstehen sind, bin ich im Blogbeitrag vom 27.11.2020 („KVP, Ideen- und Innovationsmanagement – same, same, but different?“) näher eingegangen.

Im Folgenden stelle ich zusammen, wie die in der Abbildung gezeigten Nutzeneffekte zustande kommen und wie sie durch das Ideenmanagement bewirkt werden. Damit wird das im Blogbeitrag zum „Erfolgsfaktor 4/9 – Commitment: Promotion“ vom 27.01.2021 thematisierte Anliegen, den Nutzen des Ideenmanagements möglichst konkret aufzuzeigen, weiter vertieft.

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Abbildung: Direkte und indirekte Nutzeneffekte des Ideenmanagements

Direkte Nutzeffekte

Errechnete finanzielle Vorteile: Der Kennzahlenvergleich Ideenmanagement belegt, dass in den meisten Unternehmen durch umgesetzte Vorschläge finanzielle Vorteile entstehen – siehe die Ergebnisse für 2020 im Blogbeitrag vom 26.05.2021 und für 2019 im Blogbeitrag vom 24.04.2020.

  • Im Corona-Jahr 2020 wiesen immerhin 60 Prozent, im Jahr 2019 sogar zwei Drittel aller teilnehmenden Unternehmen eine errechnete Netto-Erstjahreseinsparung über 100 Euro pro Mitarbeiter aus – das ist zwar nicht besonders viel, dürfte aber in den meisten Unternehmen ausreichen, damit es sich unterm Strich immer noch lohnt, Personalkapazitäten im Umfang von (mindestens) einem halben bis ganzen Vollzeitäquivalent pro 1.000 Mitarbeiter bereitzustellen (und zwar mit mehr als nur einer dicken schwarzen Null).
  • Die finanziellen Vorteile wachsen nicht in den Himmel. Oberhalb einer Mindestschwelle führt eine Steigerung der Vorschlagsmenge nicht (automatisch) zu einer Erhöhung der errechneten Einsparung. Dies war Fazit der Diskussion im Blogbeitrag vom 13.05.2020 und bestätigt sich in Analysen der Zeitverläufe vieler Unternehmen.
  • Der größte Teil der zugrundeliegenden Einsparpotentiale wird eher zufällig gefunden. Hier erweist sich die Stärke des Alleinstellungsmerkmals des Ideenmanagements, erklärtermaßen offen für spontane und nicht gesteuerte Beiträge aller Mitarbeiter zu allen Themen zu sein. Wie oben erwähnt und im Blogbeitrag vom 14.01.2021 ausführlich beschrieben, wäre etwa die Hälfte der errechneten finanziellen Vorteile mit großer Wahrscheinlichkeit NICHT im Rahmen von systematischen und gesteuerten Programmen innerhalb der nächsten 12 Monate gefunden worden.

Verbesserungen mit nicht rechenbarem Nutzen: Wie bereits im „Exkurs 3“ im Blogbeitrag vom 14.01.2021 dargelegt, ist das nicht-rechenbare „Verbesserungspotential“ (theoretisch!) ebenso unbegrenzt wie das „Wachstumspotential“ (bzgl. Umsatzsteigerungen) und die Anzahl der möglichen Mitarbeiterideen.

  • Hier gilt: Je mehr Vorschläge eingereicht werden, desto mehr Vorschläge werden auch umgesetzt. Oder umgekehrt: Wer viel verbessern will, braucht viele Ideen!

Verortet man Ideenmanagement zwischen KVP und Innovationsmanagement (wie im Blogbeitrag vom 27.11.2020 beschrieben), dann kann man auch sagen: Mit dem o.g. Alleinstellungsmerkmal schließt Ideenmanagement die Lücke zwischen KVP und Innovationsmanagement – oder andersherum: Ohne Ideenmanagement bestünde eine Lücke, durch die ein nennenswertes Potential ungenutzt bliebe.

Indirekte Nutzeffekte

Beteiligungskultur: Im Grunde ist es eine Tautologie zu sagen, dass es bei einer hohen Beteiligung eine Kultur der Beteiligung gibt. Es ließe sich allenfalls fragen, ob die Beteiligung am Ideenmanagement eine Folge einer sowieso schon bestehenden Beteiligungskultur ist – oder ob die Möglichkeit, sich über das Ideenmanagement zu beteiligen, ursächlich zu einer Stärkung der Beteiligungskultur beiträgt (was also Henne und was Ei ist). Die Schwierigkeit, diese Frage zu klären, war schon Gegenstand im o.g. Blogbeitrag vom 02.01.2020.

  • Gleichwohl entspricht es meiner Sicht auf Unternehmen, dass Partizipation prinzipiell gut ist – sowohl für die Mitarbeiter als auch für das Unternehmen. Diese Sicht wird auch durch die positiven Effekte auf die psychische und soziale Gesundheit gestützt (siehe unten).
  • Kulturelle Gesichtspunkte spielen oft auch eine Rolle bei der Bewertung der Arbeitgeberattraktivität. In der Kommunikation nach innen und außen liefert ein gut funktionierendes und lebendiges Ideenmanagement einen (weiteren) „Pluspunkt“ für das Unternehmen.


Förderung der psychischen und sozialen Gesundheit: Auf die positiven Effekte eines Ideenmanagements für gesundheitsrelevante Faktoren wie Selbstwirksamkeitserwartung und Kohärenzgefühl bin ich bereits in den Blogbeiträgen vom 08.06.2020 und vom 18.06.2020 näher eingegangen.

Unterstützung für andere Management- und Führungssysteme: Wie das Ideenmanagement seine Kernkompetenzen als interne Consulting-Abteilung oder als Business Partner für Anliegen anderer Management- und Führungssysteme einbringen kann, war Gegenstand im Blogbeitrag zum „Erfolgsfaktor 2/9 – Prozess: Kooperation“ vom 13.11.2020.

Nutzen als Management-, Führungs- und Veränderungsinstrument: Mit den positiven Nebeneffekten eines Ideenmanagements für Management-, Führungs- oder Veränderungsprozesse hatte ich mich im Blogbeitrag vom 26.02.2021 auseinandergesetzt.

Wie bereits eingangs erwähnt, sollten diese Nebeneffekte nicht überbewertet werden (Ideenmanagement ist keine „eierlegende Wollmilchsau“), aber unter den Scheffel stellen muss man ihr Licht auch nicht…

 

Ideenmanagement liefert Einsparungen (jedenfalls in den meisten Unternehmen) und bewirkt Verbesserungen – aber es kann noch mehr! Rücken Sie auch die positiven Nebenwirkungen in das richtige Licht und fördern Sie deren bewusste Nutzung!

 

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