Bevor über die Umsetzung von Vorschlägen entschieden werden kann, müssen der Nutzen und der Aufwand gegeneinander abgewogen werden. Das kann sehr schnell gehen – etwa, wenn die Vor- und/oder Nachteile für den Entscheider offensichtlich sind. Es kann aber auch etwas mühsamer und langwieriger werden – dann nämlich, wenn für eine fundierte Entscheidung fachliche Stellungnahmen von Gutachtern benötigt werden. Hier gehen wir u.a. der Frage nach, welchen Nutzen Fach- und Führungskräfte aus einer Tätigkeit als Gutachter ziehen können.
Mit diesem Blogbeitrag setzen wir den vorangegangenen Beitrag zum „Nutzen des Ideenmanagements für »Entscheider»“ fort. Neben den „Entscheidern“ hatten wir dort noch die „Gutachter“, „Umsetzer“ und „Vorgesetzte“ als wichtige Partner benannt, denen das Ideenmanagement überzeugende „Wertangebote“ machen muss, damit sein Geschäftsmodell Erfolg haben kann (siehe dortige Abbildung 1). Im Folgenden widmen wird uns nun diesen drei weiteren Arten von „Stakeholdern“ und dem „Nutzenversprechen“ für sie.
„Gutachter“ sind meistens Fachkräfte, zuweilen auch Leiter von speziellen Abteilungen bzw. Zuständigkeitsbereichen, deren Expertise benötigt wird, damit überhaupt eine fundierte Entscheidung getroffen werden kann.
Doch warum sollten sich Fach- und Führungskräfte die Mühe machen, sich mit Vorschlägen auseinanderzusetzen und sich zu ihnen fundiert zu äußern – insbesondere dann, wenn diese Vorschläge weder von einem ihrer Mitarbeiter stammen (ansonsten gilt das weiter unten zum „Nutzenversprechen für Vorgesetzte“ Gesagte) noch einen Nutzeffekt für ihren eigenen Zuständigkeitsbereich bewirken (ansonsten gilt sinngemäß das zu den Fällen 1-4 im Blogbeitrag zum „Nutzen für Entscheider“ Gesagte)?
Wenn in einem Unternehmen die Rollen von Gutachtern und Entscheidern gut definiert sind und die Erwartungen an entsprechendes Verhalten von Fach- oder Führungskräften deutlich gemacht werden (z.B. durch ausdrückliche Benennung der Aufgaben zur Begutachtung und Entscheidung in Stellenfunktionsbeschreibungen, in Einarbeitungsplänen, in klaren An- und Aussagen der Unternehmensleitung), dann besteht der „Nutzen“ in der Pflichterfüllung und dem guten Gefühl, seinen Job getan zu haben (auf diesen Aspekt waren wir bereits im vorigen Beitrag zum „Nutzen des Ideenmanagements für »Entscheider»“ eingegangen).
Leider sind die oben genannten Voraussetzungen einer guten Rollen- und Aufgabendefinition häufig nicht oder nicht ausreichend erfüllt. Immer wieder hört man dann von betroffenen Fach- oder Führungskräften, die Begutachtung von Vorschlägen wäre eine „zusätzliche“ Arbeit, die nicht zu ihren „eigentlichen“ Aufgaben gehöre und für die sie auch gar keine Zeit hätten.
An diesem Punkt treten wir einen Schritt zurück, um folgende Überlegung anzustellen:
In diesem Sinne kann man versuchen, „weiche“ Werte anzubieten. Auch Gutachter (und natürlich ebenso Entscheider) mögen und verdienen Wertschätzung und Beachtung. Anerkennende Worte von maßgeblichen Personen (z.B. auf Weihnachtsfeiern oder anderen prominenten Events) oder Incentives wie ein „Gutachterfrühstück“ und Teilnahmemöglichkeiten an exklusiven Veranstaltungen gehen in diese Richtung (siehe Praxisbeispiel im Blogbeitrag zum „Erfolgsfaktor 6/9 – Commitment: Anerkennung“). Diese Faktoren kann das Ideenmanagement direkt fördern, indem es die Sichtbarkeit der Tätigkeit von Gutachtern (bei deren Vorgesetzten und der Unternehmensleitung) erhöht.
Neben „Kollegialität“ können für Gutachter zudem die gleichen Aspekte einen „Wert“ bedeuten, die wir bereits im Blogbeitrag zum „Nutzen für Entscheider“ benannt hatten, wie z.B. die Unterstützung des Ideenmanagements an sich (weil man von dessen Nutzen überzeugt ist).
Zusätzliche Gesichtspunkte, mit denen man die Tätigkeit als Gutachter und Entscheider „schmackhaft“ machen kann (und die in der oben genannten Untersuchung von Badura und Fuchs von einigen Gutachtern als positive Aspekte benannt wurden), sind:
Da Gutachter nicht selbst entscheiden, kann die Entscheidung von ihrer Stellungnahme abweichen – Gutachter können so eine ähnliche Frustration erleben wie Einreicher, wenn ihr Vorschlag abgelehnt wird (auch dies wurde in der zitierten Untersuchung benannt). Um Gutachter „bei Laune“ zu halten, könnte das Ideenmanagement darauf achten, dass Gutachtern die Gründe erklärt werden, wenn entgegen ihrem Votum entschieden wurde (so, wie bei einem „guten“ Ideenmanagement auch den Einreichern die Gründe einer Ablehnung erläutert werden).
Weitere Services, die das Ideenmanagement zur Unterstützung der geforderten Begutachtungstätigkeiten (die ja gemäß obiger Überlegung auch ohne Ideenmanagement sowieso anfallen könnten) anbieten kann, hatten wir bereits im Blogbeitrag zum „Nutzen für Entscheider“ ausgeführt (siehe dort: „Fälle 1 – 5“).
Zu guter Letzt noch zwei Anmerkungen und eine Empfehlung:
Soweit „Umsetzer“ als „Gutachter“ (zum Beispiel zur Beurteilung des Umsetzungsaufwands) gefragt sind, gilt das bereits dort Gesagte.
Ansonsten haben die Umsetzer mit der Umsetzung „nur Arbeit“ – und zwar genau die gleiche Art von Arbeit, die ihrem sonstigen Aufgabenspektrum entspricht. Aus Sicht der Umsetzer dürfte es keinen Unterschied machen, ob sie zu solchen Arbeiten aufgrund von Verbesserungsvorschlägen oder aus anderen betriebsüblichen Anlässen beauftragt werden. Insofern lässt sich Umsetzern neben „Pflichterfüllung“ sowie – bei entsprechender Unternehmenskultur – kollegialem Dank und Anerkennung kein weiterer Nutzen anbieten.
Welchen Nutzen hat nun eine solche Führungskraft davon, wenn sie sich um Ideen ihrer Mitarbeiter kümmert, obwohl der Nutzen ganz woanders entsteht?
Im Kern der Antworten auf diese Frage steht der mehrfache Nutzen, den das Ideenmanagement für die eigene Führungsaufgabe bietet:
Weitere Antworten gibt es in der Literatur zum Thema „Führung“ zuhauf. Es sind dieselben, die man auf die Frage geben würde, warum sich eine Führungskraft überhaupt um ihre Mitarbeiter kümmern sollte. Führungskräfte, die an sich den Anspruch „guter Führung“ stellen, nehmen diese Frage ernst und beantworten sie mit einem entsprechenden Führungsverhalten, das auch „weiche“ Faktoren wie Kommunikation, Einbindung und Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit beherzigt (einschließlich der Möglichkeit, „Kritik / Meckern in Vorschläge zu wandeln“).
Abbildung 3 zeigt zusammenfassend die jeweiligen Wertangebote für die in diesem und im vorigen Blogbeitrag betrachteten vier Rollen. Vereinfachend kann man sagen, dass Entscheider, wenn sie gleichzeitig Nutznießer sind, als Wertangebot einen ähnlichen Nutzen erhalten wie den, der im Blogbeitrag zum „Nutzen des Ideenmanagements für Unternehmen“ als „direkter Nutzen“ bezeichnet wurde, während „Vorgesetzte“ eher das als Nutzen erhalten, was dort als „indirekter Nutzen“ bezeichnet wurde.
Ein „direkter Nutzen“ für (nutznießende) Entscheider und für das Unternehmen kann bei jedem einzelnen Vorschlag bewirkt werden, während der „indirekte Nutzen“ für Führungskräfte und für das Unternehmen vor allem durch das Ideenmanagement als solchem entsteht.
Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.
Zu den Autoren:
Dr. Hartmut Neckel ist einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. >> Mehr
Kontakt: kontakt@hartmut-neckel.de
Dr. Oliver Reichel-Busch, geb. 1973, lebt mit seiner Familie in Hamburg. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Darmstadt und der Promotion an der TU Berlin startete er seine Karriere im Lufthansa Konzern im Führungskräftenachwuchsprogramm. Nach verschiedenen Stationen u.a. als Produktionsleiter in der Fahrwerksüberholung der Lufthansa Technik AG verantwortet er seit 2019 das Ideenmanagement der Lufthansa Group.
Kontakt: oliver.reichel-busch@lht.dlh.de