Andere Länder, andere Sitten – und andere Gesetze. Dieses Thema wurde im Leitfaden „Internationales Ideenmanagement“ nur am Rande gestreift, daher gehen wir hier einigen Fragen nach, die in den letzten Jahren im Expertenkreis „Globales Ideenmanagement“ (geleitet von Dr. Hartmut Neckel) zur Sprache kamen – und die je nach Unternehmen und Land relevant sein könnten.
Zunächst eine Vorbemerkung: Bei allen Aussagen in diesem Blogbeitrag handelt es sich um Äußerungen von Nichtjuristen – und nicht um belastbare Fachauskünfte! Die Autoren und die Unternehmensberatung Dr. Neckel als Inhaber dieser Webseite übernehmen keine Haftung für etwaige Folgen nicht zutreffender Aussagen!
Rechtsfragen können einerseits die Ausgestaltung des Ideenmanagements in einem konkreten Land betreffen – hierbei ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die zur Anwendung kommenden Regelungen mit den dort geltenden Gesetzen nicht im Widerspruch stehen dürfen. Meist werden die Landesgesellschaften in der Pflicht gesehen, allgemeine Konzernempfehlungen zum Ideenmanagement bei Bedarf so anzupassen, dass sie dem jeweiligen nationalen Rechtssystem genügen (etwa den Steuergesetzen im Hinblick auf Prämiensysteme).
Andere Rechtsfragen entstehen, wenn länderübergreifende Bezüge und Aktivitäten im Ideenmanagement entfaltet werden – was ja gerade den Kern eines „internationalen“ Ideenmanagements ausmacht (im Gegensatz zu einer Ansammlung mehrerer nationaler Ideenmanagements, die nichts miteinander zu tun haben). Diesen Themenkomplex stellen wir hier in den Vordergrund.
Bereits innerhalb eines Landes wirken oft verschiedene Tochterunternehmen (bzw. von einem herrschenden abhängigen Unternehmen) im Rahmen eines konzernweiten Ideenmanagements zusammen – beim Internationalen Ideenmanagement ist dies stets der Fall, da die verschiedenen Landesgesellschaften rechtlich eigenständige Einheiten sind. Wir haben uns gefragt, was das unter den Gesichtspunkten „Datenschutz“, „Exportkontrolle“, „Produkthaftung“, „Ansprüche des Einreichers“ u.a. bedeutet, und versucht, Antworten zu finden.
Wie wird der Datenschutz berücksichtigt, wenn Personen aus anderen rechtlichen Einheiten Einblick in die Inhalte der Ideendatenbank der eigenen Einheit und dort hinterlegte Personalstammdaten erhalten?
- Für den Schutz persönlicher Daten von Mitarbeitern sind zunächst stets die Datenschutzgesetze des jeweiligen Landes relevant.
- In der Regel enthalten die personenbezogenen Angaben in einer Ideendatenbank mehr Informationen als etwa ein globales Telefonbuch. Neben entgeltbezogenen Daten (Prämien) sind häufig auch Angaben zum Geschlecht hinterlegt (z.B. für Bescheide vorgesehene Anrede „Frau“/„Herr“), deren Weitergabe in einigen Ländern (als geschlechtsbezogene Diskriminierung) kritisch gesehen wird.
- Anderen rechtlichen Einheiten Einsicht in die Gesamtheit der in einer Ideendatenbank gespeicherten Informationen zu gewähren, ist somit etwas grundsätzlich Anderes als die Weitergabe einzelner Informationen, wie sie im normalen Geschäftsfluss üblich ist.
- Ein Lösungsansatz wäre, mit Regeln für Schreib- und Leserechte sicherzustellen, dass Personen anderer Einheiten nur die inhaltlichen, aber keine personenbezogenen Daten eines Vorschlags sehen können. Ein anderer Lösungsansatz bestünde darin, dass jede Einheit ihre Ideen in einem eigenen Mandanten führt, der für Personen anderer Einheiten nicht sichtbar ist. Ergänzend könnte das Vorgehen geregelt werden, wie die Übertragung von Ideen jeweils im Einzelfall aktiv angestoßen werden kann.
Welche Relevanz haben Anforderungen der Exportkontrolle?
- Wenn Personen aus anderen Ländern Einblick in die fachlichen Inhalte der Ideendatenbank der eigenen Einheit erhalten, sind unter Umständen Vorschriften der Exportkontrolle zu beachten, falls Ideen die Produktion oder die Eigenschaften von Produkten betreffen, die der Exportkontrolle unterliegen.
- Je nach Geschäftstätigkeit und Produkten des Unternehmens können Erfordernisse der Exportkontrolle darin bestehen, Mitarbeitern aus betroffenen Ländern (z.B. China) ein eigenes Arbeitszimmer zuzuweisen, damit der Informationsfluss eingeschränkt bzw. kontrolliert werden kann. Insofern sollte im Zweifelsfall darauf geachtet werden, inwieweit ähnliche Trennungen für die Weitergabe von (Ideen-)Know-how gefordert sind.
- Ansonsten ist die Weitergabe von fachlichem Know-how (wie es Ideen sind) vor allem eine Frage firmeninterner Regelungen. Mit dem in Ideen enthaltenen Know-how müsste ggf. ähnlich verfahren werden, wie es bei Verkäufen von Geschäftsbereichen mit dem schutzrechtlich gesicherten Know-how erfolgt. Die Bewertung der in Patenten u.ä. enthaltenen „Intellectual Assets “ und deren Berücksichtigung im Kaufpreis ist eigentlich Standard.
Wie wird damit umgegangen, dass andere rechtliche Einheiten über die Weitergabe von Ideen oder die Einsicht in eine Ideendatenbank Know-how erhalten, das sie auch nach einem evtl. zukünftigen Verkauf weiterhin mit Gewinn nutzen könnten?
- Dies ist keine rechtliche, sondern eine Frage firmeninterner Regelungen. Falls Personen aus einer anderen Einheit Einblick in die Inhalte der Ideendatenbank erhalten, können sie sich dort Ideen „abgucken“, die sie evtl. erst nach Verkauf dieser Einheit umsetzen. Dies wäre legal (da die Idee keinem Schutzrecht unterliegt), aber vielleicht für das Ursprungsunternehmen nicht mehr erwünscht, da sich das Verhältnis zu der anderen Einheit nach dem Verkauf ggf. in eine Wettbewerbssituation gewandelt haben könnte.
- Insofern kann jedes Unternehmen selbst klären, ob die nach einem evtl. Verkauf ggf. entstehenden Nachteile eines Best Practice Sharing zugunsten der Vorteile in der Zeit der Zugehörigkeit vor dem Verkauf akzeptiert werden.
Gibt es Auswirkungen der Produkthaftung, wenn Ideen und Entscheidungen in der Landesgesellschaft des einen Landes für einen Haftungsfall einer anderen Einheit in einem anderen Land relevant sein könnten?
- Hintergrund dieser Frage ist die Situation, dass bei einer international arbeitsteiligen Konzernstruktur die fachliche und Entscheidungskompetenz für manche Idee in einem anderen Land angesiedelt sein kann als in dem Land, in dem die Idee entstand oder in dem sie wirksam wird. Ähnliche Situationen können sich bei der Übertragung guter Ideen von einem Land in ein anderes ergeben (Mehrfachnutzung ).
- Die Frage zielt daher auf mögliche Konsequenzen, wenn die in einem Land eingereichte Idee bzw. gefällte Entscheidung über die Umsetzung einer Idee zu einem Unfall oder Schaden in einem anderen Land führt. Neben finanziellen Aspekten spielt auch das (z.B. in den USA) sehr weitgehende Recht auf Akteneinsicht der Anwälte in alle relevanten Unterlagen eine Rolle, weil es dazu führen könnte, dass Anwälte auch Einblick in die Ideendatenbank fordern könnten.
- Diese Risiken kann man vermeiden, indem weitergegebene Ideen und Entscheidungen nicht als „Anweisungen“ der Konzernmutter, sondern lediglich als „Empfehlungen“ für die Töchter gegeben werden, die dann selbst die „eigentlichen“ finalen Entscheidungen treffen. Wenn die Töchter solche Empfehlungen umsetzen, tun sie dies auf eigene Verantwortung.
- Da entsprechende Fragen nicht nur das Ideenmanagement, sondern alle Aspekte unternehmerischen Handelns betreffen, müssten sie in Unternehmen, die außerhalb der USA konstruierte oder hergestellte Produkte in den USA auf den Markt bringen, bereits grundlegend geklärt sein.
Welche Auswirkungen hat es auf die Ansprüche / Rechte eines Einreichers in Deutschland, wenn seine Idee an eine andere rechtliche Einheit weitergegeben bzw. von einer anderen rechtlichen Einheit genutzt wird?
- Ansprüche von Mitarbeitern richten sich an die rechtliche Einheit, die ihr Arbeitgeber ist. Allein dieser Arbeitgeber ist Schuldner eines Vergütungsanspruchs. Entsprechende Ansprüche gegen den Konzern selbst oder gegen andere konzernangehörige Unternehmen dürften hingegen nicht bestehen (da diese nicht Arbeitgeber des Arbeitnehmers sind).
- Werden Verbesserungsvorschläge vom Arbeitgeber des Einreichers kostenlos in einen Pool für Verbesserungsvorschläge eingebracht, der auch anderen konzernangehörigen Unternehmen ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung steht, so ist fraglich, worin der wirtschaftliche Nutzen des Arbeitgebers zu sehen ist, so dass sich hieraus auch gegenüber seinem Arbeitgeber kein weiterer Anspruch des Einreichers ergibt.
- Entschließt sich ein herrschendes Unternehmen, für konzernweit genutzte Verbesserungsvorschläge zusätzliche Prämien zu zahlen und hierfür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, so handelt es sich um freiwillige Leistungen. So könnten die Konzernunternehmen etwa in einer Unternehmensregelung („Policy“) vereinbaren, dass die nutznießende Einheit eine Prämie (gemäß ihrer eigenen Regelung) an den Einreicher einer anderen Einheit zahlt.
- Konflikte lassen sich mit einem Passus in den einzelnen Betriebsvereinbarungen (oder der Konzernbetriebsvereinbarung) vermeiden, der den Übergang aller Rechte einer Idee (inkl. des Rechts auf Weitergabe an andere Unternehmen) an den Arbeitgeber vereinbart, sobald die Idee eingereicht wurde.
- Ob die Höhe von Prämien gedeckelt werden sollte, ist zwar eine allgemeine und nicht auf das Thema „Internationalität“ bezogene Fragestellung, schließt sich hier aber gut an. Unter rein rechtlichen Gesichtspunkten (und unter Missachtung aller motivationalen Aspekte) besteht ein Argument für eine Deckelung von Prämien darin, dass dann in juristischen Auseinandersetzungen der Streitwert höchstens den Wert der Maximalprämie haben kann. Dadurch bleibt das Risiko für das Unternehmen begrenzt, evtl. hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Selbst wenn man davon ausginge, dass am Ende alle Prozesse gewonnen würden, könnten Unternehmen den Aufwand für das Risikomanagement und die Rückstellungen vermeiden wollen.
Welche Ansprüche / Rechte eines Einreichers in einer ausländischen Gesellschaft können gegenüber deutschen Muttergesellschaften entstehen?
- Ob und in welcher Höhe Prämien gezahlt werden, sollte stets autark durch die jeweilige Landesgesellschaft geregelt werden. So lässt sich nicht nur vermeiden, dass ausländische (insbesondere US-amerikanische) Gerichte Durchgriff auf deutsche Muttergesellschaften haben, sondern es ist generell auch am einfachsten, wenn Prämien stets nur nach den lokalen Regelungen gezahlt werden.
- Gleichwohl kann die Muttergesellschaft anderen Landesgesellschaften Guidelines im Sinne von Hilfestellungen und Empfehlungen zur Verfügung stellen sowie darauf hinweisen, bei der Prämienregelung die Anforderungen von Gesetzen und Sozialpartnern vor Ort zu beachten.
- In diesem Zusammenhang kann es hilfreich sein, zwischen der „Bewertung“ und der „Prämierung“ zu unterscheiden. Wie im Leitfaden „Internationales Ideenmanagement“ ausführlicher beschrieben, könnten global einheitliche Bewertungssysteme (z.B. auf der Basis von „Punkten“) entwickelt werden, aus denen erst in einem letzten Schritt der Geldwert der Prämie in der jeweiligen Landeswährung ermittelt wird (z.B. auf der Basis von landesspezifischen Punkt-zu-Prämien-Tabellen). Solche Tabellen können die Kaufkraft und die Einkommensverhältnisse in den jeweiligen Ländern widerspiegeln und eigenverantwortlich durch die Standorte angepasst werden. Für die Bewertung ist es dann nicht von Bedeutung, wo der Vorschlag eingereicht oder bewertet wird. Erst beim Übergang von der Bewertung zur Prämierung treten nationale Besonderheiten zutage.
Die meisten Anforderungen gelten nicht nur für das Ideenmanagement, sondern müssen im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen und anderen Fragen sowieso in einem Unternehmen bekannt sein und berücksichtigt werden, das in einem konkreten Land tätig wird. Im Folgenden nennen wir daher nur einige Beispiele mit spezifischem Bezug zum Ideenmanagement, die in einzelnen Ländern zum Tragen kommen können.
- Erfordernisse für die Beachtung von Gesetzen zur Betriebsverfassung (wie in Deutschland) gibt es etwa in Österreich, England und Skandinavien.
- Wenn Ideen außerhalb der regulären Arbeitszeit eingegeben werden (z.B. über eine App), kann in manchen Ländern dazu führen, dass die Zeit für die Eingabe als Arbeitszeit bewertet werden muss.
- Wenn von mehreren in einem Betrieb vertretenen Gewerkschaften einzelne Gewerkschaften den Regelungen zum Ideenmanagement nicht zustimmen, kann dies in einzelnen Ländern dazu führen, dass sich deren Mitglieder nicht am Ideenmanagement beteiligen dürfen.
- Externen die Eingabe von Vorschlägen zu ermöglichen, wird in manchen Ländern generell abgelehnt, da befürchtet wird, dass daraus Beschäftigungsansprüche abgeleitet werden könnten.
- Einreicher an der Umsetzung ihrer Vorschläge mitwirken zu lassen, kann in manchen Ländern unerwünscht sein, da dies eine neue Rolle (andersartige Tätigkeit) des Mitarbeiters beinhalten würde, die von der lokalen Leitung bzw. von Führungskräften nicht gewollt wird.
Generell gilt, dass bei der Handhabung im Einzelfall die „Hoheit“ hinsichtlich rechtlicher Fragen (inkl. zur Weitergabe von Informationen oder Zahlungen) jeweils im Land des Einreichers belassen werden sollte.