Selbst etwas bewirken zu können, gibt ein gutes Gefühl. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung stärkt Motivation und Ausdauer. Für die Beteiligung am Ideenmanagement ist es daher hilfreich, Mitarbeitern aufzuzeigen, dass sie mit ihren Vorschlägen positive Wirkungen erzielen können. Dafür gibt es in der Praxis vielfältige Möglichkeiten.

Ein kurzer Blick auf Konzepte für Selbstwirksamkeit und Motivation

Das lernpsychologische Konzept der „Selbstwirksamkeit“ liefert Erklärungen, warum manche Menschen sich eher als andere in Situationen mit anspruchsvollen Herausforderungen begeben, diese mit größerer Ausdauer und Frustrationstoleranz angehen und bei Misserfolgen stärker nach neuen Handlungsoptionen suchen, um ihr Ziel doch noch zu erreichen. Ein wesentlicher Unterschied ist demnach allein der persönliche Glaube (die „Selbstwirksamkeitserwartung“), über die Möglichkeiten zu verfügen, die zur Bewältigung der jeweiligen Situation benötigt werden.

Neben einer allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (im Sinne einer optimistischen Einschätzung der eigenen Bewältigungskompetenzen nach dem Motto „Ich kann mein Leben meistern“), können sich handlungsspezifische Selbstwirksamkeitserwartungen auch auf die jeweiligen Anforderungen einer konkreten Situation beziehen („Ich kann lernen, wie man diese Aufgabe mit Formeln in Excel erledigt“).

Was das Konzept der Selbstwirksamkeit für die Motivation bedeutet, wird schnell anhand eines einfachen motivationspsychologischen Modells deutlich: Dem „Erwartung-mal-Wert-Modell“ zufolge ergibt sich die Motivation zu einem bestimmten Verhalten...

… einerseits aus dem Wert (= Bedeutung, Wichtigkeit), der dem Ergebnis des Verhaltens subjektiv beigemessen wird, und …

… andererseits aus der Erwartung (= subjektive Einschätzung), mit welcher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis erzielt werden wird.

  • Zur Veranschaulichung: Wem der „Spatz in der Hand“ lieber ist als die „Taube auf dem Dach“, der hat schon errechnet, dass hier das Produkt aus geringerem Wert („Spatz“) und an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit („in der Hand“) größer ist als das Produkt aus höherem Wert („Taube“) und minimaler Wahrscheinlichkeit („auf dem Dach“).
  • Wie sieht es dann beim Lotto aus? Hier sind die Werte der Hauptgewinne zwar sehr hoch, aber mit Blick auf das Produkt „Erwartung-mal-Wert“ dürfte eigentlich niemand mitspielen – jedenfalls, wenn man als Wert nur den möglichen monetären Gewinn sieht. Subjektiv mögen aber auch andere Werte mitspielen: Nämlich die Befriedigung des Spieltriebs, der Nervenkitzel bei der Ziehung, die schönen Träume, denen man sich zwischenzeitlich hingeben kann … Irrationale, emotionale Faktoren können das nüchterne „Erwartung-mal-Wert“-Kalkül überlagern.

Wenn nun die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen, eine wichtige Rolle für das gezeigte Verhalten hat, dann ist auch wichtig, wovon diese Einschätzung abhängt. Maßgeblich hierfür ist vor allem, wie man sich die Ursachen von Erfolgen und Misserfolgen früherer Handlungen erklärt (sog. „Kausalattribution“). So könnten Erfolge und Misserfolge etwa folgenden Ursachen zugeschrieben werden:

  • den eigenen Kompetenzen
  • den eigenen Anstrengungen (inkl. Vorbereitungen)
  • der zuteil gewordenen Unterstützung oder Behinderung (durch andere Personen, durch äußere Gegebenheiten wie Räumlichkeiten, Ruhe/Störung) – Anmerkung: Dieser Einflussfaktor lässt sich einerseits auch dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe zurechnen, andererseits auch den eigenen Kompetenzen und Anstrengungen, Ressourcen (z.B. Unterstützung) zu mobilisieren.
  • dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe
  • Glück, Zufall, Willkür, höherer Gewalt

 

Hat eine Person eine hohe Erwartung, das Ergebnis im eigenen Sinn positiv zu beeinflussen zu können (= hohe Selbstwirksamkeitserwartung), nimmt sie eine Aufgabe motivierter in Angriff, als wenn sie davon ausgehen würde, sowieso nichts bewirken zu können.

Im Idealfall kommt im Ideenmanagement beides zusammen: ein Verbesserungsmotiv mit hohem Stellenwert für den Mitarbeiter (statt „Ist-mir-doch-egal“-Haltung) und eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, diese Verbesserung tatsächlich anstoßen zu können (statt „Hier-ändert-sich-doch-nichts“-Haltung).

Da man Personal in Einstellungsverfahren nicht nur nach dem Kriterium einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung auswählen kann, stellt sich die Frage, was Unternehmen tun können, um diese Eigenschaft bei ihren Mitarbeitern zu fördern und zu stärken – sowohl allgemein als insbesondere auch spezifisch im Hinblick auf konkrete Situationen im Ideenmanagement („Ich kann mit meinen Ideen Verbesserungen im Unternehmen bewirken“). Die Lernpsychologie liefert Antworten auf folgenden 4 Ebenen (siehe Abbildung 1):

  • Bisherige Erfahrungen: „Ich habe das Eine geschafft – also schaffe ich das Andere auch“.
  • Stellvertretende Erfahrung: „Wenn der das schafft, schaffe ich das auch“.
  • Persönliche ermutigende Ansprache: „Wenn der meint, ich schaffe das, dann schaffe ich das".
  • Emotionale Erregung: „Ich fühle mich gut dabei, also schaffe ich das".

Nachfolgend beschreibe ich einige konkrete Beispiele, was das jeweils für das Ideenmanagement bedeutet. Ausführliche Beschreibungen von Konsequenzen und Anwendungen weiterer motivations- und attributionstheoretischer Hintergründe für die Praxis des Ideenmanagements finden Sie in den entsprechenden Exkursen in den „Modellen des Ideenmanagements“ (Seiten 111-148).

Blog-13-1_Baum-Selbstwirksamkeit_2020-06-08Abbildung 1: Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung in Kurzform

Bisherige Erfahrungen

Wenn Erfolge – wie etwa die Umsetzung einer Idee – weitgehend unbeachtet bleiben und der Einreicher als Urheber des Erfolgs nur nebenbei davon erfährt, ohne in seiner Urheberschaft Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erfahren, dann trägt das nicht zur Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung bei. Es geht also darum, dass Einreicher die Umsetzung ihrer Idee bewusst als eigenen Erfolg erfahren und diesen Erfolg den eigenen Fähigkeiten und dem eigenen Handeln zuschreiben.

Folgende Praktiken lassen Einreicher erleben, dass sie es sind, auf die die Umsetzung zurückgeht, und tragen damit zu einer Stärkung ihrer Selbstwirksamkeitserwartung bei:

  • Führungskräfte sprechen mit Einreichern und zeigen Interesse – sowohl direkt nach dem Einreichen bzw. bei der Begutachtung (etwa, indem sie sich um die weitere Ausarbeitung kümmern) als auch nach der Entscheidung zur Erläuterung des Ergebnisses.
  • Schriftliche Prämienbescheide drücken Anerkennung aus und heben die Urheberschaft des Erfolgs mit bestätigenden Formulierungen hervor.
  • Prämien werden persönlich in Verbindung mit anerkennenden und die Urheberschaft des Erfolgs hervorhebenden bzw. bestätigenden Worten übergeben – etwa in einem Fototermin durch den Geschäftsführer (möglich in kleinen Unternehmen) oder (in größeren Unternehmen) nur bei Prämien ab einigen Tausend Euro in einem Gespräch, bei dem der Geschäftsführer dem Einreicher eine Urkunde überreicht.
  • Der Geschäftsführer thematisiert das Ideenmanagement und dessen Nutzen auf Feiern und Versammlungen (z.B. „täglich / wöchentlich werden xxx Ideen umgesetzt, die von Ihnen, den Mitarbeitern, stammen“).
  • Verbesserungen werden am Ort des Geschehens sichtbar gemacht und hervorgehoben (siehe Beispiele in Abbildung 2).
  • Die vorhandenen Medien (z.B. Mitarbeiterzeitung, Intranet, Newsletter, Videos, Aushänge) kommunizieren Erfolgsstorys in einer Art und Weise, dass sich Einreicher (als Urheber der Erfolge) gewürdigt und gemeint sehen.
  • Give-Aways unterstreichen Erfolge durch ihre symbolische Wirkung und halten sie in Erinnerung.

Blog-13-2_Ideen-Aufkleber_2020-06-08

Abbildung 2: Beispiele für Aufkleber bzw. Plaketten, mit denen auf Verbesserungen am Ort des Geschehens hingewiesen wird (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Friedr. Lohmann GmbH und Wilhelm Alte GmbH)

Bei einem Misserfolg – etwa der Ablehnung einer Idee – muss die Kommunikation darauf abzielen, dass der Einreicher die Ablehnungsgründe nicht unveränderlichen Ursachen zuschreibt, die für alle Situationen gleich schlecht sind. Wenn die Ablehnung einem grundsätzlich nicht funktionierenden Ideenmanagementsystem oder der nicht nachvollziehbaren Willkür des Entscheiders zugeschrieben würde, würde die Erwartung des Einreichers sinken, in einem anderen Fall eine erfolgreichere Wirkung erzielen zu können.

  • Indem der Entscheider darauf hinweist, dass ihm auch keine Idee eingefallen ist, wie man das (meist ja berechtigte!) Verbesserungsziel des abgelehnten Vorschlags erreichen könnte, kann eine Schwächung der Selbstwirksamkeitserwartung durch die Ablehnung eines Vorschlags vermieden werden. Weitere Empfehlungen für ein Gespräch zur Begründung von Ablehnungen finden Sie in einem entsprechenden Leitfaden in Kapitel 4.3.3 der „Toolbox Ideenmanagement“.

Stellvertretende Erfahrung

Zu sehen, wie eine andere Person Erfolg hat, kann zur Nachahmung anregen. Diese Vorbildwirkung ist um so größer, für je ähnlicher man die beobachtete Person im Vergleich zu sich selbst einschätzt. Erfolge müssen daher so kommuniziert werden, dass man kein „Genie“ sein muss, um sie zu erzielen, sondern Rollenmodelle für jedermann („Menschen wie Du und ich“) aufgebaut werden.

Folgende Praktiken lassen Mitarbeiter die Erfolge ihrer Einreicher-Kollegen miterleben und fördern damit auch die Selbstwirksamkeitserwartung der „Noch-Nicht-Einreicher“:

  • Ausgewählte Vorschläge verdeutlichen als „Vorschlag des Monats / Quartals“ den Gedankengang des Einreichers und vermitteln die Botschaft, dass jeder solche Ideen haben kann.
  • In Erklärvideos zum Ideenmanagement werden wesentliche Informationen von Einreichern vorgestellt – als Mitteilung „von Kollege zu Kollege“.
  • Die vorhandenen Medien informieren über alle eingereichten Ideen (anonym), über umgesetzte Vorschläge (z.B. Diagramme / Listen zur Veranschaulichung der Menge der umgesetzten Vorschläge, Listen mit Angaben zu Themen umgesetzter Vorschläge) und den bewirkten Nutzen (ggf. auch die ausgezahlten Prämien).
  • Verbesserungen werden am Ort des Geschehens sichtbar gemacht und hervorgehoben (siehe oben). Für ausgewählte Vorschläge visualisieren Bilder direkt an der Maschine den „Vorher – Nachher“-Unterschied.

Ermutigende Ansprache

Für die meisten Menschen ist es ermutigend, wenn sie erleben, dass man ihnen etwas zutraut – vorausgesetzt, die zugetraute Leistung ist realistisch. Die persönliche Ansprache kann einem Mitarbeiter den entscheidenden Impuls geben, eventuelle Zweifel zu überwinden und seine Idee tatsächlich vorzuschlagen.

Folgende Praktiken der verbalen Ermutigung können die Selbstwirksamkeitserwartung von Mitarbeitern steigern:

  • Führungskräfte fragen ihre Mitarbeiter in jeder passenden Situation nach deren Wahrnehmungen und Ideen. Sie ermutigen und unterstützen sie dabei, Ideen als Vorschläge einzureichen (z.B. auch beim Formulieren und Aufschreiben). Sie tragen stets einige Vordrucke für Vorschläge bei sich, die sie Mitarbeitern bei passenden Gelegenheiten in die Hand drücken oder regen zur Nutzung entsprechender EDV-Tools an.
  • Führungskräfte sprechen im Rahmen organisierter Aktionen gezielt die „Noch-Nicht-Einreicher“ an und fragen sie nach ihren Anliegen und Ideen.
  • In „Sprechstunden“ stehen an definierten Orten und Zeiten bekannte Ansprechpartner zur Verfügung, die beim Formulieren und Aufschreiben von Vorschlägen helfen.
  • Ideenpaten oder Ideenmanager gehen bei Mitarbeitern vorbei, um Vorschläge einzusammeln.

Emotionale Erregung

Es macht einen Unterschied, ob man in einer Situation ängstliche Anspannung oder freudige Erregung fühlt, ob man Schweißhände bekommt oder es einen vor Tatkraft in den Fingern juckt – und dieser Unterschied zeigt sich auch in der Erwartung der Selbstwirksamkeit, wie man die Situation meistern wird.

Folgende Praktiken können eine positive emotionale Erregung von Einreichern fördern, wenn sie eine Idee als Vorschlag einreichen:

  • Terminals in Pausen- und Sozialräumen bieten die Möglichkeit, Vorschläge ohne Zeitdruck und in einer angenehmen Atmosphäre einzugeben.
  • Eine App bietet die Möglichkeit, Vorschläge jederzeit und auch von Zuhause aus einzugeben (freie Wahl von Ort und Zeit für das Einreichen).
  • Kleine und handliche „Ideen-Karten“ minimieren den „Druck“, viel schreiben zu müssen (weil das schon platzmäßig gar nicht vorgesehen ist) – und vermeiden eine negative emotionale Resonanz auf ein an Bürokratie erinnerndes „Formular“.
  • Design und Gestaltung von Vorschlagsformularen und Eingabemasken wirken einladend, vermitteln Spaß und bieten kreativitätsfördernde Elemente.
  • Das Verhalten der Führungskräfte signalisiert, dass das Aufschreiben von Vorschlägen gern gesehen wird (und nicht als „Drücken vor Arbeit“ gilt).
  • Die gemeinschaftliche Ausarbeitung von Vorschlägen in Teams wird gefördert (z.B. in Workshops, an KVP- oder Shopfloor-Boards).
  • Vertrauenspersonen bzw. Sympathieträger stehen Einreichern als fest benannte Ansprechpartner beim Formulieren und Aufschreiben von Vorschlägen zur Seite (z.B. in Sprechstunden, bei Rundgängen).

Fazit und Ausblick

Sorry – dieser Beitrag ist sehr lang geworden; und: Chapeau, wenn Sie alles gelesen haben! Das Thema Selbstwirksamkeit ist mir gerade in diesen Zeiten so wichtig, in denen wir den Radius unserer Wirksamkeit extrem einschränken mussten und äußeren Einwirkungen weitgehend hilflos gegenüberstanden.

Insgesamt dürfte deutlich geworden sein, dass ein „gutes“ Ideenmanagement und ein entsprechendes Verhalten von Unternehmensleitungen und Führungskräften zu jeder Zeit gut für die Selbstwirksamkeitserwartung von Mitarbeitern ist – wie auch von ganzen Teams und Abteilungen. Damit fördert es die Gesundheit und Widerstandskraft sowohl der einzelnen Mitarbeiter als auch des Unternehmens insgesamt. Auf diese erweiterten Zusammenhänge gehe ich in einem der folgenden Blogbeiträge noch gesondert ein.

Nutzen Sie das Konzept der Selbstwirksamkeit, um Ihr Ideenmanagement als Instrument für das Empowerment der Mitarbeiter zu gestalten!

 

Gehe zu Abschnitt