Selbst etwas bewirken zu können, gibt ein gutes Gefühl. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung stärkt Motivation und Ausdauer. Für die Beteiligung am Ideenmanagement ist es daher hilfreich, Mitarbeitern aufzuzeigen, dass sie mit ihren Vorschlägen positive Wirkungen erzielen können. Dafür gibt es in der Praxis vielfältige Möglichkeiten.
Das lernpsychologische Konzept der „Selbstwirksamkeit“ liefert Erklärungen, warum manche Menschen sich eher als andere in Situationen mit anspruchsvollen Herausforderungen begeben, diese mit größerer Ausdauer und Frustrationstoleranz angehen und bei Misserfolgen stärker nach neuen Handlungsoptionen suchen, um ihr Ziel doch noch zu erreichen. Ein wesentlicher Unterschied ist demnach allein der persönliche Glaube (die „Selbstwirksamkeitserwartung“), über die Möglichkeiten zu verfügen, die zur Bewältigung der jeweiligen Situation benötigt werden.
Neben einer allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (im Sinne einer optimistischen Einschätzung der eigenen Bewältigungskompetenzen nach dem Motto „Ich kann mein Leben meistern“), können sich handlungsspezifische Selbstwirksamkeitserwartungen auch auf die jeweiligen Anforderungen einer konkreten Situation beziehen („Ich kann lernen, wie man diese Aufgabe mit Formeln in Excel erledigt“).
Was das Konzept der Selbstwirksamkeit für die Motivation bedeutet, wird schnell anhand eines einfachen motivationspsychologischen Modells deutlich: Dem „Erwartung-mal-Wert-Modell“ zufolge ergibt sich die Motivation zu einem bestimmten Verhalten...
… einerseits aus dem Wert (= Bedeutung, Wichtigkeit), der dem Ergebnis des Verhaltens subjektiv beigemessen wird, und …
… andererseits aus der Erwartung (= subjektive Einschätzung), mit welcher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis erzielt werden wird.
Wenn nun die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen, eine wichtige Rolle für das gezeigte Verhalten hat, dann ist auch wichtig, wovon diese Einschätzung abhängt. Maßgeblich hierfür ist vor allem, wie man sich die Ursachen von Erfolgen und Misserfolgen früherer Handlungen erklärt (sog. „Kausalattribution“). So könnten Erfolge und Misserfolge etwa folgenden Ursachen zugeschrieben werden:
Hat eine Person eine hohe Erwartung, das Ergebnis im eigenen Sinn positiv zu beeinflussen zu können (= hohe Selbstwirksamkeitserwartung), nimmt sie eine Aufgabe motivierter in Angriff, als wenn sie davon ausgehen würde, sowieso nichts bewirken zu können.
Im Idealfall kommt im Ideenmanagement beides zusammen: ein Verbesserungsmotiv mit hohem Stellenwert für den Mitarbeiter (statt „Ist-mir-doch-egal“-Haltung) und eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, diese Verbesserung tatsächlich anstoßen zu können (statt „Hier-ändert-sich-doch-nichts“-Haltung).
Da man Personal in Einstellungsverfahren nicht nur nach dem Kriterium einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung auswählen kann, stellt sich die Frage, was Unternehmen tun können, um diese Eigenschaft bei ihren Mitarbeitern zu fördern und zu stärken – sowohl allgemein als insbesondere auch spezifisch im Hinblick auf konkrete Situationen im Ideenmanagement („Ich kann mit meinen Ideen Verbesserungen im Unternehmen bewirken“). Die Lernpsychologie liefert Antworten auf folgenden 4 Ebenen (siehe Abbildung 1):
Nachfolgend beschreibe ich einige konkrete Beispiele, was das jeweils für das Ideenmanagement bedeutet. Ausführliche Beschreibungen von Konsequenzen und Anwendungen weiterer motivations- und attributionstheoretischer Hintergründe für die Praxis des Ideenmanagements finden Sie in den entsprechenden Exkursen in den „Modellen des Ideenmanagements“ (Seiten 111-148).
Wenn Erfolge – wie etwa die Umsetzung einer Idee – weitgehend unbeachtet bleiben und der Einreicher als Urheber des Erfolgs nur nebenbei davon erfährt, ohne in seiner Urheberschaft Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erfahren, dann trägt das nicht zur Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung bei. Es geht also darum, dass Einreicher die Umsetzung ihrer Idee bewusst als eigenen Erfolg erfahren und diesen Erfolg den eigenen Fähigkeiten und dem eigenen Handeln zuschreiben.
Folgende Praktiken lassen Einreicher erleben, dass sie es sind, auf die die Umsetzung zurückgeht, und tragen damit zu einer Stärkung ihrer Selbstwirksamkeitserwartung bei:
Abbildung 2: Beispiele für Aufkleber bzw. Plaketten, mit denen auf Verbesserungen am Ort des Geschehens hingewiesen wird (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Friedr. Lohmann GmbH und Wilhelm Alte GmbH)
Bei einem Misserfolg – etwa der Ablehnung einer Idee – muss die Kommunikation darauf abzielen, dass der Einreicher die Ablehnungsgründe nicht unveränderlichen Ursachen zuschreibt, die für alle Situationen gleich schlecht sind. Wenn die Ablehnung einem grundsätzlich nicht funktionierenden Ideenmanagementsystem oder der nicht nachvollziehbaren Willkür des Entscheiders zugeschrieben würde, würde die Erwartung des Einreichers sinken, in einem anderen Fall eine erfolgreichere Wirkung erzielen zu können.
Zu sehen, wie eine andere Person Erfolg hat, kann zur Nachahmung anregen. Diese Vorbildwirkung ist um so größer, für je ähnlicher man die beobachtete Person im Vergleich zu sich selbst einschätzt. Erfolge müssen daher so kommuniziert werden, dass man kein „Genie“ sein muss, um sie zu erzielen, sondern Rollenmodelle für jedermann („Menschen wie Du und ich“) aufgebaut werden.
Folgende Praktiken lassen Mitarbeiter die Erfolge ihrer Einreicher-Kollegen miterleben und fördern damit auch die Selbstwirksamkeitserwartung der „Noch-Nicht-Einreicher“:
Für die meisten Menschen ist es ermutigend, wenn sie erleben, dass man ihnen etwas zutraut – vorausgesetzt, die zugetraute Leistung ist realistisch. Die persönliche Ansprache kann einem Mitarbeiter den entscheidenden Impuls geben, eventuelle Zweifel zu überwinden und seine Idee tatsächlich vorzuschlagen.
Folgende Praktiken der verbalen Ermutigung können die Selbstwirksamkeitserwartung von Mitarbeitern steigern:
Es macht einen Unterschied, ob man in einer Situation ängstliche Anspannung oder freudige Erregung fühlt, ob man Schweißhände bekommt oder es einen vor Tatkraft in den Fingern juckt – und dieser Unterschied zeigt sich auch in der Erwartung der Selbstwirksamkeit, wie man die Situation meistern wird.
Folgende Praktiken können eine positive emotionale Erregung von Einreichern fördern, wenn sie eine Idee als Vorschlag einreichen:
Sorry – dieser Beitrag ist sehr lang geworden; und: Chapeau, wenn Sie alles gelesen haben! Das Thema Selbstwirksamkeit ist mir gerade in diesen Zeiten so wichtig, in denen wir den Radius unserer Wirksamkeit extrem einschränken mussten und äußeren Einwirkungen weitgehend hilflos gegenüberstanden.
Insgesamt dürfte deutlich geworden sein, dass ein „gutes“ Ideenmanagement und ein entsprechendes Verhalten von Unternehmensleitungen und Führungskräften zu jeder Zeit gut für die Selbstwirksamkeitserwartung von Mitarbeitern ist – wie auch von ganzen Teams und Abteilungen. Damit fördert es die Gesundheit und Widerstandskraft sowohl der einzelnen Mitarbeiter als auch des Unternehmens insgesamt. Auf diese erweiterten Zusammenhänge gehe ich in einem der folgenden Blogbeiträge noch gesondert ein.
Nutzen Sie das Konzept der Selbstwirksamkeit, um Ihr Ideenmanagement als Instrument für das Empowerment der Mitarbeiter zu gestalten!