Auch bei Kampagnen gibt es „Dos“ und „Don’ts“: Dinge, die sich bewährt haben, und Dinge, die man besser vermeiden sollte. Das gilt ganz unabhängig davon, ob eine Kampagne weltweit oder nur in einem begrenzten Unternehmensbereich ausgerollt werden soll und welches Thema adressiert wird. Hier stellen wir Erfahrungen aus Kampagnen mit unterschiedlichen Hintergründen und Zielsetzungen vor.
Vorbemerkung: Kampagnen waren im Blog zum Ideenmanagement bereits mehrfach Thema. So wurde im Beitrag „Kampagnen, Wettbewerbe und andere Sonderaktionen – Praxisbeispiele“ neben Praxisbeispielen eine Checkliste mit Empfehlungen aus der Praxis für die Praxis zu den Phasen „Vor“, „Während“ und „Nach“ einer Kampagne vorgestellt. Im Beitrag „Kampagnen im Ideenmanagement – was sie bringen, wie sie wirken“ wurde der Nutzen von Kampagnen anhand der Ergebnisse des „Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement 2021“ beziffert, und die Wirkungsweise wurde als „gesteuerte Fokussierung der (bewussten) Wahrnehmung“ erklärt. Im ergänzenden Benchmarking des Kennzahlenvergleichs 2021 hatte sich gezeigt, dass Kampagnen von etwa der Hälfte der Unternehmen genutzt werden, um aktiv zur Ideengenerierung beizutragen – wenn auch mit erheblichen Unterschieden zwischen Produktions- und Nicht-Produktionsunternehmen sowie zwischen kleineren und größeren Unternehmen.
Die „Energy Saving Initiative“ bei Gerresheimer
Gerresheimer ist als innovativer System- und Lösungsanbieter der globale Partner für die Pharma- und Biotech-Branche. Das Unternehmen bietet ein umfassendes Portfolio von Containment Solutions für Medikamente, Drug Delivery Systemen und Medizinprodukten sowie Lösungen für die Gesundheits- und Kosmetikbranche an. Das Leistungsspektrum umfasst unter anderem digitale Lösungen für die Therapiebegleitung, Medikamentenpumpen, Spritzen, Pens, Autoinjektoren und Inhalatoren sowie Injektionsfläschchen, Ampullen, Tablettenbehälter, Tropfflaschen und andere Flaschen.
Das Kampagnenthema: „Nachhaltigkeit“ ist eine von fünf strategischen Richtungen bei Gerresheimer. Das Kampagnenthema „Energieeinsparung“ wurde daher nicht erst im Zusammenhang mit der Energiekrise 2022 relevant, sondern entspricht der Vision und den langfristigen Zielen des Unternehmens.
VOR der Kampagne ging es vor allem darum, das Ziel und den Umfang der Kampagne festzulegen, Stakeholder und Promotoren einzubinden sowie die Kommunikations- und Marketingmaßnahmen vorzubereiten. Auf der Ebene konkreter Doings war das sehr facettenreich:
- Die Kampagne sollte dem strategischen Ziel dienen, „engagiert und führend in Nachhaltigkeit“ zu sein. Die Kampagne wurde als Tool konzipiert, das sowohl den Herausforderungen begegnet, denen wir gegenüberstehen, als auch den organisatorischen Wandel unterstützt, den wir anstreben. Damit verbunden ist die kulturelle Komponente, dass jeder Mitarbeiter mit seinen Ideen dazu beiträgt, die Nachhaltigkeitsstrategie mit Leben zu füllen, statt lediglich Direktiven zu folgen. Dieser Ansatz ist in Abbildung 1 veranschaulicht.
Abb. 1: Die Kampagne stärkt die interne und externe Positionierung als ein Unternehmen, das bei der aktiven Förderung der Nachhaltigkeit als Team führend ist.
- Als Promotorin förderte Katja Schnitzler, Mitglied des Aufsichtsrats der Gerresheimer AG und Group Senior Director EHS CSR OPEX, die Kampagne mit persönlichem Engagement. Zur Einbindung von weiteren Stakeholdern wurde die Kampagne im Energy Counsil und während Informationsveranstaltungen zur Energieeinsparungsverordnung bekanntgemacht. Die Standortleiter und lokalen Energie-Beauftragten hat das Team der Energy Saving Kampagne per E-Mails informiert. Als Ansprechpartner vor Ort konnten wir unsere „Innovationskontakte“ aktivieren, die es an allen Standorten weltweit gibt.
- Ideen zur Kampagne konnten einerseits über unsere Innovationssoftware online per Desktop eingereicht werden. Zusätzlich haben wir speziell für die Kampagne gestaltete Ideenformulare im Format DIN A4 bereitgestellt. Über einen auf allen Medien gezeigten QR-Code konnten sich die Mitarbeiter mit ihren privaten Handys registrieren, um auch von dort Ideen einzugeben.
Abb. 2: Spezifische Eingabemöglichkeiten für Ideen zur Kampagne.
- Bei allen Marketingmaterialien haben wir darauf geachtet, möglichst wenig Text zu verwenden. Im Vordergrund stand daher als fortwährende Begleitung auf Postern, Ideenformularen und Bildschirmanzeigen stets dasselbe Key Visual.
Abb. 3: Marketingmaterialien mit einheitlichem Key Visual und QR-Code
- Um CO2 Emissionen beim Transport zu vermeiden, haben wir im Sinne der Nachhaltigkeit darauf verzichtet, Poster oder Formulare vorab zu drucken und zu versenden. Stattdessen erfolgte der Ausdruck bedarfsgerecht durch die Multiplikatoren vor Ort. Diese wurden mit einem „Kommunikations-Kit“ ausgestattet, das Informationen zur Kampagne sowie Anleitungen zum Ausdruck und zur Verwendung der in unserem Intranet bereitgestellten Marketingmaterialien enthielt.
Abb. 4: Kommunikations-Kit mit Informationen und Anleitungen für Multiplikatoren vor Ort (Auszug).
WÄHREND der Kampagne ging es um Inspiration und Feedback für die einzelnen Ideengeber, um die weitere Ideensammlung und um erste Schritte zur Projekt-Implementierung. Es galt, mit kontinuierlicher Kommunikation und Status Reporting den Erwartungen sowohl des Managements als auch der Mitarbeiter gerecht zu werden.
- Um das Commitment des Managements zu erhalten, nutzten wir die Strategie-Workshops und gaben der Kampagne einen Raum zur Information.
- In einer virtuellen „Inspiration Session“ gab der Ideenmanager eines bekannten Pharma-Unternehmens Impulse zur generellen Förderung des Ideenmanagements. Weitere Gast-Speaker gaben Erklärungen zum strategischen Hintergrund von Kampagnen oder praktische Tipps, wie beispielsweise wirkungsvolle Ideen gemeinsam erarbeitet werden können. Zusätzlich motivierten wir mit Videobotschaften von Einreichern und Mitarbeitern zur Beteiligung.
NACH der Kampagne ging es um die Auswertung und Kategorisierung des Outputs, die Anerkennung für alle Teilnehmer und das Follow-up zur Integration der Projekte in die Organisationsstruktur. Auch in dieser Phase war vor allem Kommunikation gefragt.
- Von den weltweit 26 Standorten wurden insgesamt 285 Ideen eingereicht. Davon wurden 73 Ideen einem short-term Portfolio für die direkte Implementation als „Quick Wins“, 212 Ideen einem mid- and long-term Portfolio als Grundlage für Projekte zugeordnet. Inhaltliche Klassifikationen erfolgten in die Themenfelder Beleuchtung, Elektrizität, erneuerbare Energie, Gas, Heizung, Isolierung, Prozesse und Optimierung, Verbrauchsüberwachung und Wassereinsparungen.
- Die drei Standorte mit den meisten Ideen erhielten Preisgelder, mit denen sie z.B. ein standortbezogenes Event ausrichten können. Der Mitarbeiter mit den meisten eingereichten Ideen, unser Energy Saving Hero, erhielt die Möglichkeit, sich ein Online Training auszusuchen, an dem er teilnehmen wollte.
- Als finale Anerkennung für alle Ideengeber fand eine virtuelle Award Session statt und jeder Teilnehmer erhielt ein „Nachhaltigkeitszertifikat“ für seine Idee.
Abb. 5: Kommunikation und Follow-up im Post-Kampagnen-Management.
Lessons Learned: Aus den Erfahrungen mit dieser Kampagne haben wir folgende Lehren gezogen bzw. bestätigt gefunden:
- Kommunikation ist der Schlüssel, damit eine Kampagne transparent, strukturiert und visuell ansprechend wird. Der Wiedererkennungswert von Key Visuals und Slogans kann nicht groß genug sein.
- Genügend Zeit für die Einreichung von Ideen ist erforderlich, um auch Produktionsmitarbeiter aktiv einzubinden (On-Site Kommunikation dauert länger als online). Das Gleiche gilt für die Bewertung und das Follow-up von Ideen.
- Anerkennung sollten alle Ideengeber erhalten, unabhängig davon, in welchem Ausmaß ihr Input zum Tragen kommt.
Die globale Plakatkampagne „Imagination“ bei Continental
Continental entwickelt wegweisende Technologien und Dienste für die nachhaltige und vernetzte Mobilität der Menschen und ihrer Güter. Das 1871 gegründete Technologieunternehmen bietet sichere, effiziente, intelligente und erschwingliche Lösungen für Fahrzeuge, Maschinen, Verkehr und Transport.
Die Kampagne sollte zeitgleich an 519 Standorten in 57 Ländern und Märkten in mehr als 100 Sprachen mit überall dem gleichen Logo, Slogan, Text und Bildmaterial durchgeführt werden. Was war zu beachten und wie haben wir diese Herausforderungen gemeistert?
Das Logo soll grundsätzlich selbsterklärend, wiedererkennbar, unverwechselbar und klar sein.
- Außerdem muss es der Corporate Identity entsprechen und in verschiedenen Formaten (eps, ai, png, jpg) und Größen mit sehr hoher Auflösung bereitgestellt werden.
- Zu bedenken ist auch, wo das Logo verwendet werden soll: z.B. auf T-Shirts oder Werbeartikeln.
- Wenn das alles erfüllt ist, sollte man sich noch vergewissern, dass das Logo keine Doppeldeutigkeiten enthält.
- Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die als Logo verwendete Abkürzung zusätzlich in kleiner Schriftgröße auszuschreiben – bei uns also: „CIM - Continental IdeaManagement“.
Abb. 6: Das alte Logo (links) und das neue Logo (rechts).
Den Slogan haben wir versucht, gemäß folgenden Empfehlungen zu formulieren – das Ergebnis ist in Abbildung 7 gezeigt:
- Halte dich kurz: Verwende zwischen vier und sechs Wörtern.
- Zeige, was das Ideenmanagement einzigartig macht. Sei selbstbewusst.
- Achte auf den Erinnerungseffekt und schaffe einen Wiedererkennungswert.
- Mache ein Versprechen. Verbinde Deine „Marke“ mit Emotionen.
- Verwende nur positive Sprache. Nutze Sprachmittel, z.B. Reime.
- Achte auch hier auf Doppeldeutigkeiten!
Wer Anregungen für häufig genutzte Worte in Werbe-Slogans sucht (oder diese bewusst vermeiden will), kann sich die Top 100 im „Slogometer“ anzeigen lassen.
Abb. 7: Unser Kampagnenslogan.
Text hat den Nachteil, dass keine Sprache weltweit verstanden wird. Also bedeutet er Übersetzungsaufwand, der umso höher ist, je länger der Text und je globaler die Kampagne ist. Wir haben uns an das Motto „Weniger ist mehr!“ gehalten und für diese Kampagne ganz auf zusätzliche Textbausteine – neben dem Slogan - verzichtet.
- Zu beachten ist auch, dass Zitate oder Sprichwörter oft nur einen regionalen Bezug haben.
- Selbst innerhalb einer Sprachgruppe können Worte mehrdeutig verstanden werden und unterschiedliche Assoziationen wecken.
- Beispiel: Während die einen bei „Pool“ an einen Swimmingpool denken, stellen sich andere einen Billard Pooltable vor. „Plant“ ist für die einen eine Pflanze, für die anderen ein (Produktions-) Standort.
Bilder sagen bekanntlich mehr als 1000 Worte. Aber sie sagen nicht jedem das, was beabsichtigt ist! Die Bildauswahl stellt also hohe Anforderungen – hier einige der wichtigsten:
- Zeige Emotionen. Dazu eignen sich oft Kinder, Sport oder Tiere. Allerdings: Nicht jede Sportart ist überall bekannt und nicht alle Tiere sind „positiv besetzt“! Bauwerke zeigen selbst keine Emotionen – damit ihr Bild Emotionen weckt, müssen sie eine besondere kulturübergreifende Bedeutung und Bekanntheit haben.
- Beachte kulturelle Hintergründe und Besonderheiten. Verzichte auf religiöse und politische Darstellungen ebenso wie auf Darstellungen von Menschen in Badehose oder Bikini.
- Mache Diversity und Multi-Ethnic sichtbar.
- Schaffe eine Storyline, an der sich die Plakate orientieren.
Unser Ergebnis: Für die Plakatkampagne zum Thema „Imagination“ wählten wir die Storyline „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Jedes Bildmotiv wurde mit einem zusätzlichen Element (Scribble) ergänzt, was bei den Betrachtenden inspirierend und humorvoll wirken sollte (siehe Abbildung 8).
- In der Konzeptionsphase wurden zunächst die grundlegenden Ideen entwickelt, Bilder recherchiert und ausgewählt, die zusätzlichen Elemente gescribbelt. Anschließend wurde alles zwei Korrekturschleifen unterzogen. Von ursprünglich über 200 Entwürfen blieben am Ende 15 Motive übrig.
Zur Finalisierung wurden die erweiterten Bildrechte (die Kampagne sollte weltweit umgesetzt werden) für die 15 ausgewählten Bilder erworben und die Plakatvorlagen in verschiedenen Formaten (A2, A3, Ansi) bereitgestellt.
Abb. 8: Einige Beispiele für Plakate der globalen Kampagne „Imagination“.
Fazit aus beiden Praxisbeispielen: Von der Vorbereitung bis zum Follow-up: Kampagnen leben von einer gelungenen Kommunikation!
Lesen Sie mehr zu Kampagnen und anderen Sonderaktionen in folgenden Blogbeiträgen:
- Kampagnen, Wettbewerbe und andere Sonderaktionen – Konzepte für „besondere“ Zeiten
- Kampagnen, Wettbewerbe und andere Sonderaktionen – Praxisbeispiele
- Kampagnen im Ideenmanagement – was sie bringen, wie sie wirken
Die Beschreibungen der Praxisbeispiele basieren auf Vorträgen, die Maike Wolf und Matthias Nehrhoff auf dem Deutschen Ideenmanagement-Forum 2023 in Köln gehalten haben.
Ein nach Stichworten sortiertes Verzeichnis mit Links auf alle bisher erschienenen Beiträge im Blog zum Ideenmanagement finden Sie in diesem Register.
Wiedergabe der Abbildungen 1 bis 5 mit freundlicher Genehmigung der Gerresheimer AG, Wiedergabe der Abbildungen 6 bis 8 mit freundlicher Genehmigung der Continental AG.
Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.
Zu den Gastautoren: Matthias Nehrhoff, Maike Wolf
Matthias Nehrhoff ist seit über 20 Jahren als Führungskraft in verschiedenen Bereichen der Continental AG tätig. Er war u. a. Finanzmanager eines Produktionssegmentes und leitete das Controlling & die IT an einem Standort mit über 500 Mio. € Umsatz und 1.600 Mitarbeitern. Seit 2012 ist er Head of Group Idea Management und verantwortlich für ein Team von weltweit über 300 Ideenmanager*innen. Er ist Mitglied im AK IDM beim VDA und BAVC.
Kontakt: matthias.nehrhoff@conti.de
Maike Wolf ist Leiterin des Innovationsteams bei Gerresheimer. Nach einer praktischen Ausbildung im Handwerk und einem technischen Studium sammelte sie Erfahrungen zum Thema Business Development und Innovation in einem High-Tech-Umfeld. Als Innovation Managerin hat sie den Anspruch, mit systematischen Methoden und agilem Projektmanagement einen Mehrwert für ihre Kollegen, Kunden und für sich selbst zu generieren. In ihrem Innovations-Blog veröffentlicht Maike Wolf über systematische Innovationsmethoden und agiles Projektmanagement.
Kontakt: maike@theblueswan.de