„Ohne Ziel ist jeder Schuss ein Treffer“: In diesem Sinn müssen Unternehmen klären und bekanntgeben, was das Ideenmanagement erreichen soll; was als Erfolg anzusehen ist und was nicht. Doch bei der Formulierung von Zielen ist Vorsicht geboten. Es gilt, unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden – etwa mit einer intelligenten Kombination von Zielgrößen und mit der Einbettung in ein übergeordnetes Zielsystem.
Eine Vorstellung davon zu haben, wann eine Kennzahl „im grünen Bereich“ liegt, ist das eine – bestimmte Werte als Ziele zu vereinbaren oder vorzugeben, ist etwas anderes. Grundsätzlich bin ich ein Freund von „smart“ formulierten Zielen:
• Geklärte und im Konsens vereinbarte Ziele schaffen Verbindlichkeit und bieten Orientierung für das tägliche Handeln aller Akteure.
• Ohne vorherige Klärungen, was das Ziel ist, werden Maßnahmen schnell zum Aktionismus.
• Nur wenn die Messlatte für Erfolg oder Misserfolg festgelegt ist, gibt es Anlässe zum Lernen.
Risiken und Nebenwirkungen
Macht man es sich aber bei der Festlegung von Zielen zu einfach, besteht das Risiko von Fehlsteuerungen. Für das Ideenmanagement betreffen Ziele häufig nur die Vorschlagsquote (Anzahl der Vorschläge pro Mitarbeiter) und / oder die Einsparungsquote (Höhe des errechneten finanziellen Nutzens pro Mitarbeiter). Sie sind relativ leicht zu ermitteln, und es ist einfach zu verstehen, was sie ausdrücken. Zugleich wird für beide Größen weithin angenommen, dass „mehr“ gleich „besser“ ist – oft mit der (noch zu hinterfragenden!) Annahme, dass ein „Mehr“ an Vorschlägen auch die Chancen für höhere Einsparungen steigert.
Dass Zielvorgaben auch unerwünschte Wirkungen haben können, hatte ich im Beitrag vom 15.01.2020 kurz angedeutet. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, führe ich hier zwei mögliche Effekte etwas weiter aus, die aus der Beschränkung auf nur eine der oben genannten Kennzahlen resultieren können.
Im Bestreben, viele Vorschläge zu erhalten, werden oft Anreize gesetzt, die dazu verführen, Ideen ungeachtet ihrer Substanz und Bedeutung einzureichen – Hauptsache, man ist dabei (und kann an einer Verlosung teilnehmen oder sonstige Vorteile erlangen). Oder Führungskräfte halten ihre Mitarbeiter dazu an, auch Kleinigkeiten aufzuschreiben – Hauptsache, sie erreichen ihre Quote. Nachteil: Der Aufwand zur Bearbeitung der großen Vorschlagsmenge ist hoch, der Nutzen ist gering. Im schlimmsten Fall schlagen das Engagement der Einreicher und die Freude über viele Ideen in Frustration und Ärger über einen hohen Bearbeitungsstau und einen hohen Ablehnungsanteil um.
Besteht das Ziel nur in einer hohen finanziellen Einsparung, hat man das Problem, dass niemand weiß, was man tun muss, um dieses Ziel (mit eigeninitiativ von Mitarbeitern vorgebrachten Ideen) in einem direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu erreichen. [Wirklich niemand? Wenn Sie es wissen: Bitte nehmen Sie unbedingt mit mir Kontakt auf!!!] Wenn man aber nicht weiß, was man zu seiner Erreichung tun kann, ist die Motivationswirkung eines Ziels gering. Die übliche Herangehensweise, mit der man sich zum Erzielen einer hohen Einsparung behilft, besteht darin, auf eine gewisse Mindestmenge an Vorschlägen hinzuwirken – in der (durchaus ja berechtigten) Hoffnung, dann auch einen gewissen Anteil an rechenbaren Ideen zu erhalten. Damit sind wir wieder beim Thema Vorschlagsquote (diesmal als „Mittel zum Zweck“).
Auf die Frage, wann ein Ziel als „Selbstzweck“ und wann eher als „Mittel zum Zweck“ verfolgt wird, bin ich bereits im Beitrag vom 02.01.2020 eingegangen.
Integriertes und balanciertes Zielsystem - ein Praxisbeispiel
Im Folgenden stelle ich in leicht abgewandelter Form die Regelung eines Unternehmens vor, die ich aufgrund der Ausgewogenheit der Zieldimensionen und der Einbettung in ein übergeordnetes Zielsystem sehr interessant finde.
Die Geschäftsleitung gibt dort folgende Ziele fest vor:
- Vorschlagsquote: 1 Vorschlag pro Mitarbeiter
- Einsparung pro eingereichtem Vorschlag: 1.000 € pro Vorschlag
- Bearbeitungszeit (bis Abschluss der Realisierung): 90 Kalendertage
Zusätzlich werden die Ziele Beteiligungsquote (50%) und Umsetzungsanteil (70% der eingereichten Vorschläge sollen umgesetzt werden) kommuniziert und auch entsprechend erfasst und visualisiert
Die Vorgabe des Umsetzungsanteils und der Bezug der Einsparung auf die Anzahl der eingereichten Vorschläge (und NICHT auf die Anzahl der Mitarbeiter) verhindern, dass bei der Beteiligungs- und der Vorschlagsquote nur auf „Masse“ geachtet wird. Je höher die Beteiligungs- und Vorschlagsquote sind, desto größer wird nämlich die Herausforderung, auch beim Umsetzungsanteil, bei der Einsparung pro Vorschlag und letztlich auch bei der Bearbeitungszeit die Zielwerte zu erreichen.
Die Zielerreichung bzgl. Vorschlagsquote, Einsparung pro Vorschlag und Bearbeitungszeit geht als einer von vier Bewertungspunkten in die Höhe der . Darüber profitieren auch Führungskräfte von guten Ergebnissen im Ideenmanagement. Außerdem ist jeder Führungskraft bewusst, dass sie es schwerer hat, ihre Mitarbeiter zu motivieren, wenn etwa die Beteiligung deshalb geringer ausfällt, weil sich die Führungskraft mit der Bearbeitung zuviel Zeit lässt.
Abbildung: "Kennzahlen-Cockpit" zur Visualisierung der Zielerreichung
Die drei weiteren Bewertungspunkte betreffen Qualität (Nacharbeit, Ausschuss, Reklamationen), Produktivität, sowie Ordnung und Sauberkeit (5S). Alle vier Punkte beeinflussen die Mitarbeiterbeteiligung in gleichem Ausmaß. Dadurch wird nicht zuletzt auch der hohe Stellenwert des Ideenmanagements im Zielsystem des Unternehmens verdeutlicht.
PS: Ungeachtet der zusätzlichen Vergütung über die Mitarbeiterbeteiligung werden in diesem Unternehmen auch alle einzelnen Vorschläge bei Umsetzung mit einer individuellen Prämie honoriert, die sich nach dem jeweils bewirkten Nutzen richtet.
Lesen Sie mehr zum Thema „Strategie und Ziele“ in Kapitel 3.1 der „Toolbox Ideenmanagement“ und in Kapitel 3.1 der „Modelle des Ideenmanagements“.