Klimakrise und KI, Digitalisierung und Demografie: Die Arbeitswelt befindet sich in einem grundlegenden Wandel, angetrieben durch gesellschaftspolitische Veränderungen, rasante technologische Fortschritte und die Automatisierung von Prozessen. Welche Auswirkungen hat dieser Wandel auf die Beschäftigten und die Arbeitsweise in Unternehmen? Welche Rolle spielt dabei die menschliche Kreativität? Was kommt nach New Work? Wir wagen Ausblicke auf die Arbeitswelt im Jahr 2030 und darüber hinaus.

Vier Disruptoren bzw. die vier großen Ds – Dekarbonisierung, Digitalisierung, Deglobalisierung und Demografie – erweisen sich als Innovationstreiber einer neuen Wirtschaft und verändern auch unsere Berufswelt. Besonders starke Effekte für die Zukunft werden durch die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen erwartet. Industrieroboter, Neurotechnologie, vernetzte KI-Systeme: Hochentwickelte Technologien übernehmen heute immer mehr Aufgaben, die früher von Menschen erledigt wurden. Das verändert nicht nur die Produktionsprozesse in Unternehmen, sondern auch den gesamten Arbeitsmarkt.

Umbruch am Arbeitsmarkt

Ein zentraler Aspekt der Automatisierung ist die Verschiebung von routinemäßigen Tätigkeiten manueller, analytischer und auch interaktiver Art hin zu Aufgaben, die menschliche Fähigkeiten wie kreative und innovative Problemlösungen erfordern. Aber was genau heißt eigentlich Routine?

„Das hängt einerseits von den technischen Möglichkeiten und Automatisierungspotenzialen ab, andererseits aber auch von der Komplexität individueller Tätigkeiten und deren Veränderung – und damit von der Arbeitsorganisation und den individuellen Fähigkeiten der Beschäftigten“, erklärt Prof. Dr. Werner Eichhorst, Koordinator für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Europa am Forschungsinstitut für die Zukunft der Arbeit IZA GmbH in Bonn.

Der Wettlauf zwischen Mensch und Maschine – auch bekannt als race between man and machine – führt dazu, dass menschliche Tätigkeiten in Bereiche wandern, die aktuell nicht durch Routinen wegrationalisiert bzw. ersetzt werden können. Berufe, die stark von manuellen oder sich wiederholenden Tätigkeiten geprägt sind, sind einem erhöhten Automatisierungsdruck ausgesetzt – demgegenüber gewinnen Aufgaben, die Kreativität, soziale Intelligenz und Interaktion erfordern, an Bedeutung. Berufsbilder entwickeln sich entsprechend; dabei werden vor allem hochqualifizierte und technologieferne Bereiche immer wichtiger.

Die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlichte Abbildung 1 zu Substituierbarkeitspotenzialen in verschiedenen Berufsfeldern verdeutlicht diesen Wandel am Arbeitsmarkt besonders eindrucksvoll. Substituierbarkeitspotenziale sagen etwas darüber aus, in welchem Ausmaß berufliche Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen vollautomatisch ersetzt (also substituiert) werden könnten.

Jobs der Zukunft

Laut IAB sind die Substituierbarkeitspotenziale zwischen 2019 und 2022 am stärksten in den IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen angestiegen, auch wenn sie in den Fertigungsberufen immer noch am höchsten sind.

IAB-Forscherin Britta Matthes: „Insgesamt lässt sich feststellen: Je höher das Anforderungsniveau, desto stärker nehmen Substituierbarkeitspotenziale zu.“

Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einem Beruf, in dem mindestens 70 Prozent der Tätigkeiten substituierbar sind, ist laut IAB deutschlandweit auf durchschnittlich 38 Prozent gestiegen; 2019 waren es noch 34 Prozent.

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Abb. 1: Substituierbarkeitspotenziale nach Berufssegmenten (Quelle: IAB)

Die Jobs der Zukunft beinhalten also weniger Routinearbeit und erfordern verstärkt analytisches Denken und menschliche Interaktion. Einer Deloitte-Studie zufolge – siehe Abbildung 2 – sind daher 65 Prozent der Arbeitszeit in diesen Berufen bis 2035 kaum automatisierbar. Neue, wenig automatisierbare Jobs werden die Verluste durch Automatisierung übersteigen, was zu einem Nettozuwachs von 1,3 Millionen Arbeitsplätzen führen kann. Besonders starkes Wachstum wird in den Bereichen Gesundheit (+26%), Bildung (+20%) und Management (6%) erwartet. Robotics und Data Analytics sind die Technologien mit dem größten Einfluss; Robotics machen dabei fast die Hälfte, Data Analytics ein Viertel der automatisierbaren Arbeitszeit aus.

Fest steht: Generative KI hat diese Entwicklung maßgeblich vorangetrieben. Aber natürlich können neue Technologien wie KI auch Arbeitsplätze schaffen. So sind laut IAB allein zwischen 2019 und 2022 fast 300 neue Berufe entstanden, z.B. Machine Learning Engineer oder KI-Manager.

Office-Pionier Prof. Dr. Werner Eichhorst sagt dazu: „Wir können nicht genau sagen, welche Berufsbilder in den nächsten fünf oder zehn Jahren entstehen werden. Je präziser solche Vorhersagen sind, desto eher liegen sie falsch. Arbeit wird sich aber in jedem Fall eher dort ansiedeln, wo sie Kapital und Technik ergänzt und nicht primär mit ihnen konkurriert. Je digitaler, desto menschlicher wird es also. Das ist paradox oder auch gerade nicht: das digitale Paradox.“

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Abb. 2: Die Jobs der Zukunft: Berufswelt bis 2035 – 5 Trends (Quelle: Deloitte)

Das Prinzip der Werkstatt

Das digitale Paradox besagt also: Je digitaler die Arbeitsumgebung, desto menschlicher muss sie sein. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen nicht nur technologisch up to date sein, sondern auch ein kreatives Umfeld für ihre Beschäftigten bieten. Hier kommt das Prinzip der Werkstatt ins Spiel, ein moderner Ansatz zur Arbeitsorganisation, der zwei zentrale Anforderungen an moderne Organisationen vereint: effiziente Produktion und Innovation (exploit and explore). Flexible und kreative Arbeitsstrukturen ermöglichen es hier, sowohl bestehende Produkte zu produzieren als auch neue Ideen zu fördern – ähnlich wie in traditionellen Werkstätten.

Prof. Dr. Werner Eichhorst erläutert das Konzept: „Man könnte den Kern guter Organisationen im digitalen und also paradoxerweise umso stärker von Menschen geprägten Zeitalter das Prinzip der Werkstatt nennen. Es kann nicht nur auf das Handwerk angewandt werden, sondern überall dort, wo mit dem Kopf gearbeitet wird: in Beratungsfirmen, in der Software-Entwicklung, bei Forschungsprojekten, im Handel, im Gesundheitswesen, überall, auch in modernen Industrien.“

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Abb. 3: Quelle: Pixabay

Das Besondere daran: Die Werkstatt bietet eine dynamische Arbeitsumgebung, die Autonomie und kreative Entfaltung ermöglicht. Eichhorst: „Statt starren Hierarchien und festgelegten Aufgabenbereichen fördert die Werkstatt temporäre Rollen, dezentrale Verantwortung und eine Kultur der offenen Kommunikation. Mitarbeiter sollen die Freiheit haben, Ideen zu entwickeln und auszuprobieren.“

Eine gut funktionierende Werkstatt zeichnet sich aus durch Diversität und Nonkonformität. Hier kommen und arbeiten Menschen zusammen, die zwar unterschiedlich sind, aber auch gleichwertig und gleichrangig. Eichhorst: „Eine Hierarchie basiert dann eher auf Erfahrung und Anerkennung, sodass die Kommunikation off­en und kritisch sein kann. Sie ist auch innovativer, wenn über Fehler und Verbesserungen beraten werden kann, ohne an den Status denken zu müssen. Innovationen entstehen schrittweise, indem Entwicklung und Ausführung zusammenkommen.“

Digitale Arbeit und analoge Beziehungen

Ein wesentlicher Aspekt dabei: die Balance zwischen Präsenz- und Remote-Arbeit – zwischen schnellem, informellem Austausch und effektiver Zusammenarbeit, individueller Kreativität und konzentriertem Arbeiten.

Eichhorst: „Es geht immer um die Beziehungen bei der Arbeit, um gute und konstruktive, damit auch produktive Beziehungen, die am ehesten im Analogen entstehen. Die Werkstatt bleibt als räumlicher Ort unersetzbar, als der gemeinsame Raum des Arbeitens und Zusammenarbeitens. Weil aus dem ungeplanten Zusammentreff­en von Beobachtungen und Argumenten, aus der spontanen Konfrontation der Köpfe noch immer am besten neue Ideen, Konstruktionen, Experimente und gemeinsame Projekte entstehen können.“

 

Zusammengefasst steht das Prinzip der Werkstatt für inspirierende Arbeitswelten und flexible Arbeitsweisen, die die Autonomie und kreative Entfaltung des Individuums ermöglichen, ohne dass die Produktivität darunter leidet. Die Offenheit für neue Ideen und Wertschätzung individueller Unterschiede und Talente machen es zu einem Modell für zukunftsorientierte Organisationen, die auf nachhaltiges Wachstum und kontinuierliche Innovation setzen.

 


New Work – was steckt dahinter?

Der Begriff New Work wurde in den 1980ern von Frithjof Bergmann geprägt und basiert auf Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Dreiteilung der Arbeit (bezahlte Arbeit, Gemeinschaftsarbeiten, Herzensprojekte). Technologie dient als Werkzeug für vernetzte Zusammenarbeit. Bergmanns Vision ist der Wandel hin zu einem menschenzentrierten Modell, das ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben durch Arbeit ermöglicht.

Die New Work Charta (s. Abb. 4), 2019 von Markus Väth entwickelt, schlägt eine Brücke zwischen Bergmanns Theorie und der heutigen Arbeitswelt, die geprägt ist von Globalisierung, Digitalisierung, Demografie, Wissenszuwachs und Klimawandel. Sie gilt als universelles Modell für Menschen, Organisationen und Gesellschaft und wurde bislang von rund 600 Persönlichkeiten unterzeichnet. Die Charta formuliert fünf zentrale Prinzipien:

  1. Freiheit: Förderung von Experimentierkultur, Angstfreiheit & Vernetzung

  2. Selbstverantwortung: Unterstützung von Selbstorganisation, Budget-Autorität & Beteiligungsmodellen

  3. Sinn: Entwicklung einer klaren Unternehmensidentität & Wertschöpfung jenseit finanzieller Ziele

  4. Entwicklung: Etablierung kollektiver Lernstrukturen & kontinuierlicher Selbsterneuerung

  5. Soziale Verantwortung: Nachhaltigkeit, regionales Engagement & faire Geschäftspraktiken


Zukunftsthesen zum Megatrend New Work

Andere Zukunftsforscher kommen zu ähnlichen Erkenntnissen. Für das Zukunftsinstitut, einen der einflussreichsten Think Tanks Europas, steht New Work 2024 unter dem Motto: “Von flexiblerer Arbeit zum Triumph des Humankapitals“. In einer aktuellen Studie hat es den Megatrend New Work untersucht und 4 Hauptthesen für die Zukunft der Arbeit identifiziert:

  • Die Sinnfrage wird zentral: New Work ermöglicht es, persönliche Potenziale und Neigungen zu entfalten, da viele monotone, repetitive Aufgaben von Maschinen erledigt werden. Urmenschliche Fähigkeiten wie Kreativität und Empathie rücken in den Fokus, und das Lösen gesellschaftlicher Zukunftsaufgaben stiftet neuen Sinn in der Arbeit.
  • Die 30-Stunden-Woche wird das neue Vollzeit: Weniger ist mehr – Skandinavien lebt das Arbeitsideal der Zukunft bereits vor. Flexiblere Arbeitszeitmodelle werden zur Norm und passen sich individuellen Situationen und Lebensphasen an. Das kann die Produktivität steigern und Krankenstände senken.
  • Remote Work macht das Büro attraktiv: Das Büro der Zukunft wird zum Ort für zwischenmenschliche Beziehungen, spontane Kontakte, Co-Creation und Co-Working, während konzentrierte Arbeitsphasen remote erfolgen. Es wird zur Kulturmeile des Unternehmens: Hier entsteht das Wir-Gefühl der Belegschaft, hier werden Werte gelebt.
  • Work-Life-Blending ersetzt Work-Life-Balance: Die klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben wird aufgehoben, um persönliche Bedürfnisse besser zu integrieren. Das schafft mehr Lebensqualität und steigert die Freude an der Arbeit.

DE Blog - New Work Chart

Abb. 4: New Work Charta (Quelle: humanfy)

Was lässt sich aus all dem ableiten für das Ideenmanagement? Was können Sie selbst tun für eine inspirierende Arbeitsatmosphäre in der Zukunft? Wir hätten da ein paar Ideen...

Tipps und Ideen für Ihr Ideenmanagement 2030

Durch flexible, kreative und inspirierende Arbeitsumgebungen fördern Sie effiziente Produktion und Innovation. Das begeistert Ihre Mitarbeiter und sichert Ihnen langfristigen Erfolg.

Schaffen Sie eine kreative und angstfreie Umgebung

  • Ideenwerkstätten & Innovationslabore: Etablieren Sie physische / virtuelle Experimentierräume für neue Ideen, Produkte und Prozesse, z.B. Brainstorming-Sessions (inkl. Techniken wie Mind-Mapping oder SWOT-Analysen) und Prototyping-Workshops.

  • Fehlerkultur: Betrachten Sie Fehler als Lernchancen. Führungskräfte sollten aktiv vorleben, dass Fehler erlaubt und konstruktiv für Verbesserungen genutzt werden können.

 

Stärken Sie Eigenverantwortung und Autonomie

  • Selbstorganisationsmodelle: Fördern Sie agile Methoden (z.B. Scrum, Kanban), um Ihren Teams eigenständige Arbeitsprozesse und Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen.
  • Budgetautorität: Stärken Sie das Gefühl von Beteiligung und Eigenverantwortung, z.B. durch Gewinnbeteiligungsprogramme oder individuelle Budgetzuweisungen für innovative Projekte.

Fördern Sie Sinnstiftung und Identität

  • Klare Unternehmenswerte: Kommunizieren Sie regelmäßig Ihre Mission, Werte und Ziele, um das Verständnis der Mitarbeiter für ihren Beitrag zum Gesamterfolg zu verbessern.

  • Mitarbeiterbeteiligung: Binden Sie Mitarbeiter aktiv in die Entwicklung und Verfeinerung der Unternehmensziele ein, um ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken.

 

Unterstützen Sie kontinuierliches Lernen und Weiterentwicklung

  • Kollektive Lernstrukturen: Etablieren Sie Strukturen für den gemeinsamen Wissensaustausch, z.B. durch Workshops, Onlinekurse, Lernplattformen.

  • Feedbackkultur: Implementieren Sie strukturierte Feedback-Prozesse wie Peer-Reviews nach Projektabschlüssen und vierteljährliche Evaluationsgespräche.

Begrüßen Sie soziales Engagement

  • Nachhaltige Praktiken: Ermutigen Sie Mitarbeiter, nachhaltige Ideen einzubringen und umzusetzen. z.B. durch Ideenkampagnen, gesellschaftliches Engagement.
  • Regionaler Austausch: Unterstützen Sie Initiativen in regionalen Projekten und das Engagement Ihres Unternehmens zur Stärkung der lokalen Gemeinschaft.

 

Sorgen Sie für Belohnung und Anerkennung

  • Incentive-Programme: Führen Sie (falls nicht schon vorhanden) Belohnungssysteme für innovative Ideen ein, z.B. Boni, Prämien und andere Formen der öffentlichen Anerkennung.
  • Karriereentwicklung: Verknüpfen Sie erfolgreiche Ideeneinreichungen mit beruflichen Entwicklungsprogrammen, um die Karrierechancen innovativer Mitarbeiter zu fördern.

Fazit

Automatisierung, Digitalisierung, KI, all das verändert grundlegend, wie wir arbeiten und welche Skills gefragt sind. Die Zukunft der Arbeit wird maßgeblich geprägt sein von der Fähigkeit zur kreativen Problemlösung und Innovation.

Unternehmen, die das Prinzip der Werkstatt anwenden, schaffen eine inspirierende und kreativitätsfördernde Arbeitsumgebung, die die Talente und Potenzial jedes Einzelnen voll ausschöpft. In der Folge sorgen Sie für höhere Motivation und Zufriedenheit bei Mitarbeitern, für höhere Produktivität und Innovationskraft sowie eine erfolgreiche Positionierung im globalen Wettbewerb.

Das funktioniert aber nur durch ein Umdenken in der Unternehmenskultur und Arbeitsgestaltung. Es liegt an uns, diese Zukunft aktiv mitzugestalten und die Weichen zu stellen für eine Arbeitswelt, die nicht nur effizient, sondern auch menschlich und kreativ ist.

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